# taz.de -- Skisport in Österreich: Wieder so ein Einzelfall | |
> Lasch reagiert Österreichs Skiverband auf einen mutmaßlichen Dopingfall. | |
> Umso engagierter ist er in Vermarktungsfragen. | |
Bild: Unter Verdacht: Harald Wurm. | |
Wien taz | | Noch ist nicht ganz klar, was passiert ist, aber eines scheint | |
festzustehen: der Skilanglaufsprinter Harald Wurm (31) war vor rund vier | |
Wochen die Zielperson, deren Haus von der Polizei durchsucht wurde. Die | |
Innsbrucker Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn. | |
Es geht vermutlich um den Verdacht, dass Wurm im Besitz von Dopingmitteln | |
oder von Geräten gewesen ist, mit deren Hilfe man Doping durchführen kann. | |
Der oberste Sportfunktionär des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) Hans Pum | |
kündigte etwas nebulös an: „Sollte sich herausstellen, dass da etwas | |
gewesen ist, wird genauso wie in der Vergangenheit hart durchgegriffen. Es | |
liegt in unserem Interesse, dass alles aufgeklärt wird.“ | |
Die Handlungen der ÖSV-Funktionäre sprechen den energisch klingenden Tönen | |
freilich Hohn. Der ÖSV wurde nach der Hausdurchsuchung am 25. August unter | |
anderem auch von Wurm selbst in Kenntnis gesetzt. Seither wurde er aus dem | |
Kader genommen. Mehr ist bislang offenbar nicht passiert. Der Verband | |
pflegt ja seit Jahren zu unangenehmen Fragen erst Stellung zu beziehen, | |
wenn es nicht mehr anders geht. | |
Der Verdachtsfall Wurm ereignete sich unmittelbar nach dem bislang letzten | |
Imagedesaster des ÖSV. Im Mai hatte die Weltcup- und Olympiasiegerin Anna | |
Fenninger in einer an die Öffentlichkeit gelangten E-Mail an die | |
Verbandsspitze geklagt, sie fühle sich schlecht behandelt. Auf Facebook | |
postete sie, „ich habe all diese Lügen satt“. Der ÖSV-Präsident Peter | |
Schröcksnadel verlangte offenbar, dass Fenninger sich von ihrem deutschen | |
Manager Klaus Kärcher trenne. Schröcksnadel bestritt das zwar immer, aber | |
Fenningers Äußerungen lassen einen anderen Schluss zu. | |
## Letzter Skandal erst in Sotschi | |
Anfang September vollzog Fenninger die Trennung von Kärcher. Und prompt | |
präsentierte sie einen neuen Sponsor: Milka. Da alle Athletenverträge über | |
ÖSV/Schröcksnadel laufen und der Verband dafür zehn Prozent Abgabe | |
einstreicht, hat Schröcksnadel nun, da Fenninger nicht mehr an einen | |
„Fremden“ gebunden ist, dazu seine Zustimmung gegeben. | |
So lückenlos die ÖSV-Aufsicht in Marketingfragen funktioniert, so | |
lückenhaft erfolgt offenbar die Antidopingarbeit. Der bislang letzte | |
Skandal des ÖSV ereignete sich am Ende der Winterspiele von Sotschi 2014. | |
Am Tag vor dem abschließenden Langlauf-50er wurde Johannes Dürr des | |
EPO-Dopings überführt. Die ÖSV-Funktionäre fielen aus allen Wolken. „Dürr | |
ist ein bedauerlicher Einzelfall“, so die Sprachregelung. Und nun Wurm. | |
Wieder so ein Einzelfall. | |
Er soll der beste Freund Dürrs im ÖSV gewesen sein. Dürrs zweijährige | |
Sperre läuft am 25. Februar 2016 ab, ab dann darf er am Verbandstraining | |
wieder teilnehmen. Dürrs und Wurms Betreuer ist ÖSV-Cheftrainer Gerald | |
Heigl. Der wollte noch 2012 seinen ehemaligen Schützling Christian | |
Hoffmann, Bronzemedaillengewinner von Nagano 1998 (50 Kilometer) zum | |
Comeback bewegen, Christian Hoffmann wurde wegen Anwendung verbotener | |
Methoden (Blutzentrifuge, wie sie für Blutdoping gebraucht wird) für zwei | |
Jahre gesperrt. Seine Karriere hatte er 2009 beendet. | |
## Bloß keine medaillenlose Blamage mehr | |
Gerald Heigls Chef ist Markus Gandler, seit 2003 Renndirektor für Langlauf | |
und Biathlon. Seither ist er Zuseher bei allen Dopingskandalen des ÖSV. Bei | |
den Winterspielen 2006 in Turin konfiszierten Carabinieri verbotene | |
Utensilien in den Quartieren der ÖSV-Langläufer. Zwölf Athleten und | |
Betreuer wurden für künftige Spiele gesperrt, unter ihnen auch Gandler. Die | |
Sperren wurden später reduziert oder aufgehoben. | |
Die Durchsuchung fand auf IOC-Initiative statt. Denn der Ex-Chef der | |
ÖSV-Nordischen, Walter Mayer, hielt sich verbotenerweise in den | |
ÖSV-Quartieren auf. Mayer verantwortet nämlich den Skandal bei den Spielen | |
2002 in Salt Lake City. Damals fand eine Putzfrau im Müll des ÖSV-Quartiers | |
gebrauchte Blutbeutel, wie sie zu Bluttransfusionen verwendet werden. | |
ÖSV-Präsident Schröcksnadel, der nicht einmal seinen Verband im Griff hat, | |
soll nun als Chefkoordinator des Spezialförderprogramms „Rio 2016“ auch den | |
Sommersport sanieren. Er verteilt 20 Millionen Euro Fördergelder an | |
Sportler, deren Disziplinen er nur vom Hörensagen kennt. Das Ziel ist, eine | |
medaillenlose Blamage wie bei den Spielen 2012 in London zu vermeiden. Die | |
Sommersportfunktionäre beißen sich nun auf die Zunge, um nicht durch | |
kritische Äußerungen die Karrierechancen ihrer Sportler zu schmälern. | |
Schröcksnadel selbst hat sich zum mutmaßlichen Dopingfall Wurm nicht | |
geäußert. Im österreichischen Seefeld findet 2019 die Nordische WM statt. | |
Seefeld ist übrigens bislang Wurms Hauptsponsor. | |
24 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Johann Skocek | |
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