# taz.de -- Rätsel um Biowaffen in Südkorea: Das US-Militär bietet nicht nur… | |
> Südkorea will sich mit den USA auf eine chemische Kriegsführung | |
> Nordkoreas vorbereiten. Doch auch im eigenen Land gibt es Gefahren. | |
Bild: Südkoreanische und US-Soldaten während einer Verteidigungsübung gegen … | |
SEOUL taz | Zwei Männer in gelben Overalls und Gasmasken schieben eine | |
Bahre mit einer regungslosen Person aus dem Hotel, während Sicherheitsleute | |
die Gegend mit Warnbändern absperren und das Gebäude dekontaminieren. Diese | |
Szene fand kürzlich in Seoul statt, nur wenige Monate nachdem Südkoreas | |
Hauptstadt von der Mers-Epidemie heimgesucht wurde. | |
Dabei war der Hautausschlag des Patienten nur geschminkt, bestand das Hotel | |
aus einer Zeltplane und verfolgten Generäle von Plastikstühlen auf das | |
Szenario. Erstmals hatten die Streitkräfte der USA und Südkoreas | |
Journalisten zur jährlichen Verteidigungsübung gegen chemische | |
Kriegsführung geladen. Dies sollte ein Fingerzeig auf Nordkorea sein, denn | |
das verfügt über ein Arsenal von 13 biologischen Kampfstoffen. | |
Doch der Drill im Süden wurde von Protesten begleitet. Zum einen wegen des | |
Timings. Denn erst kürzlich endeten die größten innerkoreanischen | |
Spannungen seit fünf Jahren. Pjöngjang wertet die defensiv propagierte | |
Übung als Vorbereitung auf eine Invasion. Und Organisationen im Süden | |
warnen, dass die Gefahr chemischer und biologischer Giftstoffe auch aus den | |
eigenen Reihen stammt. | |
Im Mai musste sich das Pentagon dafür entschuldigen, versehentlich | |
Anthrax-Proben an eine US-Militärbasis südlich von Seoul geschickt zu | |
haben. 22 Soldaten hatten unwissentlich mit dem tödlichen Milzbranderreger | |
hantiert, zeigten zum Glück aber keine Symptome. Das Anthrax sollte laut | |
US-Militär nur dazu dienen, Sicherheitssysteme zu testen. | |
USA experimentiert mit Biowaffen | |
Doch ein Einzelfall, wie das US-Militär betont, war der Vorfall nicht. | |
Recherchen der linken Tageszeitung Hankyoreh, die auf Publikationen der | |
regierungsnahen US-Organisation „National Defense Industrial Association“ | |
beruhen, legen nahe, dass die US-Armee in Südkorea seit Juni 2013 mit | |
Botulinumtoxin experimentiert, einer der gefährlichsten Biowaffen. | |
Die Experimente fanden offenbar ohne Wissen von Südkoreas Regierung statt. | |
Kritiker machen die rechtliche Sonderstellung der US-Armee in Südkorea | |
dafür verantwortlich: Ihre Militärgüter sind von Zollinspektionen befreit. | |
Die Regierung versprach, künftig beim US-Militär um Offenlegung von | |
Information anzufragen – ein Lippenbekenntnis. | |
Vor Jahrzehnten hatte die US-Armee Entlaubungsmittel an der | |
Demarkationslinie zum Norden versprüht, um Eindringlinge besser entdecken | |
zu können. Gäbe es keine Whistleblower unter US-Veteranen wie den | |
57-jährigen Steve House, wäre vieles nie bekannt geworden. Seit seiner | |
Rückkehr aus Südkorea 1979 leidet er unter Leberbeschwerden, Diabetes und | |
grünem Star. 1978, also drei Jahre nach Abzug der letzten Marines aus | |
Vietnam, wurde der damals in Südkorea stationierte House nach eigener | |
Aussage beordert, ein Erdloch von der Größe eines Häuserblocks auszuheben | |
und 250 Chemiefässer darin zu vergraben. | |
Der damals im selben Camp stationierte Robert Travis bezeugte dies und | |
erklärte, die Fässer trugen die Beschriftung „Agent Orange“, das Datum 19… | |
und die Herkunft Vietnam. Erst 2014 erkannten US-Gerichte an, dass die | |
Beschwerden der Veteranen von Toxinen stammen. Agent Orange wollten die | |
Behörden nicht bestätigen. | |
Die betroffene Militärbasis ist nur 630 Meter vom Nakdong entfernt, | |
Südkoreas längstem Fluss. 2011 wurde dort in drei Bächen ein leicht | |
erhöhter Dioxin-Gehalt festgestellt – also des Bestandteils von Agent | |
Orange. Laut staatlicher Statistik gab es in der Region zwischen 2005 und | |
2009 18 Prozent mehr Krebstote als im Landesschnitt. | |
Ein Sprecher der US-Armee in Seoul erklärte schon 2011, die Müllhalde mit | |
den Giftstoffen sei längst entsorgt. Doch wo genau, könne er mangels | |
Aufzeichnungen nicht sagen. | |
17 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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