# taz.de -- Kommentar Papst und Abtreibung: Geschmacklose Folklore | |
> Papst Franziskus hat ein Heiliges Jahr ausgerufen: Auch niedere | |
> Geistliche dürfen jetzt die Absolution für die Sünde der Abtreibung | |
> erteilen. Super. | |
Bild: Ganz toll gemacht: Papst Franziskus auf dem Petersplatz in Rom | |
Über das Recht auf Abtreibung zu reden, ist nur in einer Hinsicht sinnvoll: | |
Wie nämlich dieses Recht global durchgesetzt werden kann. | |
Über die Tatsache Abtreibung wird hingegen ständig geredet – nicht zuletzt | |
unter heterosexuellen Erwachsenen, die ihre Verhütungsmethoden abklären. Da | |
wird dann durchaus nicht selten festgestellt, dass für die Frau eine | |
Abtreibung nicht in Frage kommt; und – unter ganz anderen Voraussetzungen – | |
sagen natürlich auch Männer so etwas. Genauso gibt es Frauen (und Männer, | |
siehe oben), die mit der einen oder anderen Variante den Klassiker von | |
Jutta Ditfurth zitieren: „Ich bin sechsunddreißig, da finde ich zwei | |
Abtreibungen auf ein lustvolles, knapp zwanzigjähriges Geschlechtsleben | |
relativ wenig.“ | |
Papst Franziskus hat nun [1][aus Anlass des von ihm ausgerufen „Heiligen | |
Jahres der Barmherzigkeit“] seinen vereidigten Mitarbeitern (und nicht nur | |
auserwählten wie etwa den Bischöfen) gestattet, ehrlich bereuenden und um | |
Vergebung bittenden Frauen die Absolution für die schwere Sünde der | |
Abtreibung zu erteilen. Das ist ziemlich geschmacklose Folklore – wie auch | |
jede Religion in Zeiten, in denen man es besser wissen kann, Folklore ist. | |
Und religionspolitisch liegt diese Verlautbarung eben genau auf der Linie | |
des Papstes: Nach der Schreckensherrschaft Ratzingers betont Franziskus die | |
vergebende und die liebevolle Seite des Katholizismus. An der ideologischen | |
Beschränktheit ändert sich nichts. | |
## Abteilung Mittelalter und Reformation | |
Im selben Schreiben heißt es auch, dass ehrlich bereuende Knastinsassen | |
einen „vollständigen Ablass“ erhalten können – ein Wort, das man nur no… | |
aus dem Geschichtsunterricht, Abteilung Mittelalter und Reformation kennt. | |
Doch auch diejenigen, die über das Schicksal der Eingesperrten entscheiden | |
können, fordert Franziskus auf, das Heilige Jahr zum Anlass zu nehmen, über | |
eine konkrete Amnestie nachzudenken. | |
Und um den anderen Flügel des Katholizismus zu bedienen, werden die | |
ultrakonservativen Lefebvrianer unter die Fittiche genommen: „Dieses | |
Heilige Jahr der Barmherzigkeit schließt niemanden aus“, schreibt | |
Franziskus. | |
Das ist zweifellos ein schöner Satz. Es ist einer, mit dem man arbeiten | |
kann, ganz ohne die Hoffnung auf Ablässe und ein Leben im Paradies, die in | |
der Menschheitsgeschichte nur eines gestiftet hat: Unheil. | |
2 Sep 2015 | |
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## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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