# taz.de -- „Marsch für das Leben“ in Berlin: Gegen die individuelle Freih… | |
> Mitte September ziehen wieder selbsternannte LebensschützerInnen durch | |
> Berlin. Sie demonstrieren für ein generelles Abtreibungsverbot. | |
Bild: Die Lebensschützer*innen, darunter auch einige Holzkreuzträger_innen, d… | |
BERLIN taz | 5.000 DemonstrantInnen sollen es in diesem Jahr werden. So | |
viele sind zumindest laut Polizei angemeldet. Still und anklagend wollen | |
die Männer und Frauen am 19. September durch Berlin ziehen, vom | |
Bundeskanzleramt durch die Innenstadt. Sie werden weiße Holzkreuze tragen | |
und Transparente, auf denen Sätze stehen wie: „Abtreibung ist Mord“. | |
Dann ist es also wieder so weit: Der Bundesverband Lebensrecht ruft zum | |
„Marsch für das Leben“ auf. Der Verein will ein generelles Verbot von | |
Abtreibungen erreichen. Seit der Marsch zum ersten Mal vor sieben Jahren | |
mit 500 bis 1.000 DemonstrantInnen öffentlichkeitswirksam wurde, steigt die | |
Beteiligung stetig. | |
[1][Seit einigen Jahren] verstärkt sich aber auch der Gegenprotest. „Die | |
sogenannten LebensschützerInnen wurden lange Zeit nicht als Problem ernst | |
genommen“, sagt Silke Stöckle, Sprecherin vom Bündnis Sexuelle | |
Selbstbestimmung. Unter dessen Dach veranstalten zivilgesellschaftliche und | |
parteipolitische Organisationen seit 2012 Gegenkundgebungen. Motto: „Leben | |
und Lieben ohne Bevormundung“. „Als der Protest der selbst ernannten | |
LebensschützerInnen breiter wurde, erkannten viele GegnerInnen die | |
Bedrohung, die davon ausgeht“, sagt Stöckle: „Vorher dachte man, das ist | |
ein kleiner Haufen fundamentalistischer Spinner.“ | |
Diese Einschätzung teilen die AutorInnen Eike Sanders, Ulli Jentsch und | |
Felix Hansen vom Berliner antifaschistischen Pressearchiv und | |
Bildungszentrum. Die drei haben zum organisierten „Lebensschutz“ geforscht | |
und herausgefunden, dass es sich bei der Bewegung um eine gut in der | |
Politik vernetzte, politische und religiöse Bewegung handelt. | |
## Antifeministisch und antiliberal | |
Der symbolisch aufgeladene Kampf gegen Abtreibung erfülle heute eine | |
Vehikelfunktion „für eine umfassende Kulturkritik“ an der offenen, | |
säkular-aufgeklärten und demokratisch-pluralistischen Gesellschaft. Im Kern | |
sei die Bewegung antifeministisch und antiliberal. Sie richte sich gegen | |
individuelle Freiheiten der modernen Gesellschaft und gegen das Recht auf | |
eine selbstbestimmte Lebensweise. | |
Die „LebensschützerInnen“ haben ihre Lobbyarbeit professionalisiert und | |
moralisch umkämpfte Themen wie Sterbehilfe, Stammzellforschung, Pränatal- | |
und Präimplantationsdiagnostik in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen gestellt. | |
So werde die Bewegung im gesellschaftlichen Mainstream anschlussfähig. | |
Unter den HolzkreuzträgerInnen findet sich seit einigen Jahren jenes Milieu | |
der bürgerlichen Mitte, das sich als „besorgte BürgerInnen“ begreift. | |
Dessen angstbesetzte wie ressentimentgeladene gesellschaftspolitische | |
Wunschagenda – normierte Zweigeschlechtlichkeit mit klaren Rollenbildern | |
statt „Genderwahn“, patriarchal-heterosexuelle „Kernfamilie“ statt | |
„Homoehe“ und Selbstbestimmung und Pluralität von Lebensentwürfen – fin… | |
häufig auf Plakaten des Marsches Ausdruck. | |
„Die Ansichten der Leute, denen wir beim ‚Marsch‘ gegenüberstehen, sind | |
fast identisch mit denen besorgter Eltern, mit denen wir bei den Protesten | |
gegen den Bildungsplan für umfassende sexuelle Aufklärung konfrontiert | |
sind“, sagt der Sexualpädagoge Ringo Stephan. Die Initiative Vielfalt statt | |
Einfalt, für die Stephan arbeitet, ruft mit zum Gegenprotest auf. Die | |
„LebensschützerInnen“ seien eine „rückwärtsgewandte, konservative Well… | |
die gerade die ganze Gesellschaft durchzieht“, so der Experte. | |
13 Sep 2015 | |
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## AUTOREN | |
Melanie Götz | |
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