# taz.de -- Internationaler Strafgerichtshof: „Terminator“ vor dem Weltgeri… | |
> Der berüchtigte Warlord Bosco Ntaganda muss sich ab Mittwoch in Den Haag | |
> für Kriegsverbrechen im Kongo verantworten. | |
Bild: Tanzender Bosco Ntaganda in besseren Zeiten. | |
KAMPALA taz | Bosco Ntaganda steht seit Mittwoch vor dem Internationalen | |
Strafgerichtshof (IStGH) in den Haag. Der 42-jährige Ruander gilt als einer | |
der brutalsten Kriegsherren, die in den Kriegen im Kongo gewütet haben. | |
Unter seinem Kriegsnamen „Terminator“ war er in der ganzen Region | |
berüchtigt. | |
Ntaganda ist angeklagt wegen Kriegsverbrechen in 13 Fällen, darunter | |
Rekrutierung von Kindersoldaten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in | |
fünf Fällen, darunter Vergewaltigung und sexuelle Versklavung. Diese | |
Gräueltaten soll er laut Anklage in seiner Funktion als stellvertretender | |
Stabschef der Miliz FPLC (Patriotische Kräfte zur Befreiung des Kongo) in | |
Ostkongos Provinz Ituri während der Jahre 2002 und 2003 angeordnet haben. | |
Den ersten Haftbefehl gegen Ntaganda hatte das Weltgericht 2006 | |
ausgestellt. Damals wurde er nur der systematischen Rekrutierung von | |
Kindersoldaten beschuldigt. Die FPLC war der militärische Flügel der UPC | |
(Union Kongolesischer Patrioten), der Thomas Lubanga als Präsident | |
vorstand. Die UPC war eine der Kriegsparteien während des ethnischen | |
Bürgerkrieges zwischen den Volksgruppen der Lendu und Hema von 1999 bis | |
2003 in Ituri, in dem über 60.000 Menschen starben. | |
Lubanga wurde bereits 2012 vom IStGH wegen der Rekrutierung von | |
Kindersoldaten zu 14 Jahren Haft verurteilt. Ntaganda war Mitangeklagter im | |
Lubanga-Verfahren, doch er befand sich noch auf freiem Fuß. 2012 wurden die | |
Anklagepunkte gegen den „Terminator“ in einem neuen Haftbefehl auf weitere | |
Kriegsverbrechen ausgeweitet. | |
## Einer der spektakulärsten Fälle | |
Der Fall Ntaganda gilt als einer der spektakulärsten in der langen Reihe | |
kongolesischer Kriegsherren, die seit der Gründung des Strafgerichtshofes | |
auf der Anklagebank saßen. Während die Staatsanwälte in Den Haag seinen | |
Haftbefehl formulierten, wütete Ntaganda von 2006 an als Stabschef der | |
Tutsi-Rebellen des CNDP (Nationalkongress zur Volksverteidigung) in den | |
Kivu-Provinzen Ostkongos. Infolge eines Friedensvertrags mit Kongos | |
Regierung wurde Ntaganda 2009 oberster Armeekommandant im Ostkongo. | |
Jahrelang war er der mächtigste Mann in der Provinzhauptstadt Goma, trotz | |
internationalem Haftbefehl. | |
Seine nunmehr regulären Armeeeinheiten begingen in den folgenden Jahren | |
grausame Verbrechen an der lokalen Bevölkerung. Immer wieder übten | |
Menschenrechtsgruppen und die internationale Gemeinschaft Druck auf Kongos | |
Regierung aus, Ntaganda zu verhaften und an den Strafgerichtshof nach Den | |
Haag zu überstellen. Als Präsident Joseph Kabila bei einem Besuch in Goma | |
2012 eine mögliche Verhaftung des Generals in einer Rede erwähnte, | |
desertierte dieser mit seinen Truppen und brach erneut eine Rebellion vom | |
Zaun. | |
Ihm folgten die Tutsi-Truppen des in die Armee integrierten CNDP und | |
gründeten die M23 (Bewegung des 23. März) unter Sultani Makenga. Durch die | |
Desertationswelle brach die Kommandogewalt in Kongos regulärer Armee | |
zusammen, die M23 eroberten in wenigen Wochen gewaltige Landstriche entlang | |
der Grenzen zu Ruanda und Uganda und schließlich auch die Millionenstadt | |
Goma, die sie elf Tage lang besetzten. | |
## Die US-Botschaft war baff | |
Im März 2013 kam es zu Reibereien zwischen Ntaganda und Makenga. Ihre | |
jeweiligen Kämpfer gingen aufeinander los. Makengas Fraktion gewann die | |
tagelangen Gefechte. Aus Angst, getötet zu werden, machte sich Ntaganda | |
heimlich aus dem Staub. | |
Ntaganda schlich sich über die Grenze in sein Heimatland Randa und fuhr mit | |
einem Motorrad, sein weltweit bekanntes Gesicht unter dem Helm versteckt, | |
in Ruandas Hauptstadt Kigali. Dort klingelte er bei an der amerikanischen | |
Botschaft an der Pforte. Er wolle sich freiwillig stellen und nach Den Haag | |
ausgeliefert werden, erklärte er dem Wachpersonal. | |
Die Botschaftsangestellten waren baff. Es dauerte über eine Stunde bis er | |
eingelassen wurde. Die USA erklärten sich bereit, ihn an den | |
Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. In Kigali kratzten westliche | |
Botschafter Geld zusammen, um ihn nach Den Haag auszufliegen. Dort wurde im | |
Juni 2014 die Anklage bestätigt. | |
2 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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Milo Rau | |
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