# taz.de -- Die Wahrheit: Ein kniffliger Fall | |
> Hätte Sir Estebylt sich die Kehle aufgeschlitzt, dann hätte er das Messer | |
> noch in der Hand gehabt - Privatdetektiv Norbert Barnaby kommt nicht | |
> weiter ... | |
Bild: Der dienstälteste Layouter der taz: Richard Noebel | |
Als ich vor einiger Zeit meinen guten Freund Norbert Barnaby besuchte – er | |
ist ein Cousin zweiten Grades von Detective Chief Inspector Tom Barnaby und | |
ein nicht sehr erfolgreicher Privatdetektiv –, da sah er sehr elend aus. Er | |
brütete mit hochrotem Kopf über einem Aktenordner und stieß immer wieder | |
Seufzer der Verzweiflung aus. „Norbert!“, rief ich, „Altes Haus! Wo drüc… | |
der Schuh?“ Ach, hätte ich nur nicht gefragt, denn nun ging es los: | |
„Ich werde aus diesem kniffligen Fall einfach nicht schlau! Sicher hat der | |
Diener Alfred niemals vorgehabt, dem Chauffeur Bates einen Zuckerschock zu | |
verpassen, um Violette endgültig die Erbschaft zu sichern. Es kann sich | |
dabei nur um ein fatales Missverständnis handeln, und hätte Sir Eustachus | |
Estebylt sich selbst die Kehle aufgeschlitzt, dann hätte er das Messer ja | |
noch in der Hand gehabt. Es muss sich demnach um Mord handeln. Das würde | |
vielleicht auch erklären, warum er ein Freimaurerabzeichen an seinem | |
blutigen Revers trug.“ | |
Der Detektiv fuhr fort. „Rose wäre also völlig unschuldig am rätselhaften | |
Verschwinden von Violettes Mutter Maud, die vor 30 Jahren als Dienstmädchen | |
von Sir Eustachus Estebylt geschwängert worden war. Das würde aber wiederum | |
beweisen, dass John Madison nicht Alfreds leiblicher Sohn sein kann, denn | |
sonst hätte Rose Lord Ducklebuck ja nicht die Teilhaberschaft am Rennstall | |
angeboten, weil Violette dadurch in den Besitz der argentinischen | |
Diamantenmine gekommen wäre.“ | |
Norbert blickte mich mit hängenden Schultern ratlos an. „Vielleicht“, | |
schlug ich geradewegs ins Blaue vor, „vielleicht hat John Madison ja einen | |
verschollenen Zwillingsbruder namens Mario, der vor 40 Jahren aus der | |
Familie verstoßen worden war, weil er ein junges Küchenmädchen erst | |
verführt und dann verspottet hat, worauf sie sich das Leben nahm, und der | |
nun zurückgekommen ist, um grausame Rache zu nehmen?“ Norbert dachte kurz | |
nach, schüttelte dann aber den Kopf. | |
„Wenn John einen verschollenen Zwillingsbruder namens Mario hätte, hätte | |
Lord Ducklebuck keinen Grund gehabt, die Anwaltskanzlei Hunter & | |
Brackenstall auf Sir Eustachus“Onkel General Fidelias Ziller anzusetzen, um | |
das Umgangsrecht mit Roses Adoptivtochter Amalia zu erstreiten, denn dann | |
wären seine Söhne Harvey und Zachary zwei Plätze in der Thronfolge | |
aufgerückt. Und das hätte bedeutet, dass Violette ihre Verlobung mit Edward | |
Finley hätte lösen müssen, um zu verhindern, dass Chauffeur Bates“Enkelin | |
Imogen eine amouröse Verbindung mit General Fidelias Zillers Privatsekretär | |
Thomas Edward eingeht. Denn eine solche Verbindung würde die | |
Dorfbevölkerung keinesfalls dulden, um die Wegerechte durch Sir Eustachus | |
Estebylts Anwesen nicht zu gefährden.“ | |
Norbert stöhnte langgezogen. Dass ich seit Längerem ein Verhältnis mit Lord | |
Ducklebucks unehelichem Sohn Sebastian Jayden hatte und damit im Falle von | |
Sir Eustachus Estebylts Tod einen Anspruch auf die Hälfte des Erlöses, den | |
der Verkauf des Waldes erzielen würde – das sagte ich ihm lieber nicht. | |
31 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
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