# taz.de -- Die Wahrheit: Die Piraten von Penzance | |
> Wo der Jolly Roger weht: Wer den Mumm besitzt ein Boot zu kapern, ist vor | |
> Pest und Skorbut auf hoher See nicht gefeit. | |
Bild: Der dienstälteste Layouter der taz: Richard Noebel | |
„Lichtet den Anker und Leinen los! Unser Herz ist schwarz und die Gier so | |
groß!“, so sangen wir aus voller Kehle. Wir – das waren der grausame | |
Captain Max, der Schrecken aller bekannten und unbekannten Ozeane, und ich, | |
der erste Steuermann am Ruder des rassigen Motorboots „Ruffel’s Revenge“. | |
Penzance ist ein altes Piratennest am südwestlichsten Zipfel Englands, das | |
von der Piraterie noch heute gut lebt. Gegen nur hundert Goldstücke schaute | |
der ursprüngliche Besitzer von „Ruffel’s Revenge“ mal kurz weg, so dass … | |
das Schiff ohne Probleme aufbringen konnten. Eine lohnende Prise machen, | |
das war unser Plan, und so steuerten wir auf das offene Meer hinaus und | |
fürchteten weder Tod noch Teufel. | |
Unser Jolly Roger, ein umfunktioniertes Halstuch, flatterte angsteinflößend | |
im Wind, und auch wenn Captain Max nicht dazu hatte überredet werden | |
können, sich brennende Lunten in den Bart zu flechten wie weiland sein | |
Kollege Blackbeard, gaben wir sicher ein furchterregendes Bild ab. | |
Und wie wir da so über die Wellen hinwegflogen, kam mir der heimatliche | |
Hafen doch plötzlich recht weit weg vor und ich teilte meine Bedenken dem | |
Captain mit: „Was, wenn uns plötzlich auf hoher See das Benzin ausgeht und | |
wir immer weiter auf den Ozean hinausgezogen werden? Wäre es nicht | |
schrecklich peinlich, wenn zwei so unerschrockene Teufelskerle wie wir aus | |
Seenot gerettet werden müssten?“ | |
Der Captain erklärte sich einverstanden, etwas näher an der Küste zu | |
kapern. Also schipperten wir wieder in Richtung Penzance, und plötzlich | |
machte der Motor „Schriiiiieeeeek!!!“, und „Ruffel’s Revenge“ bewegte… | |
keinen Zentimeter mehr. Nicht vorwärts, nicht rückwärts, und je mehr ich | |
versuchte, das Schiff vom Fleck zu steuern, desto lauter kreischte der | |
Motor. Ich schaltete ihn aus. | |
Der Captain vermutete, dass sich die Schiffsschraube im Seetang verfangen | |
hätte, ich war mir sicher, dass ein Riesenkrake uns von unten festhielt, | |
das Ergebnis war jedoch das Gleiche: Wir saßen fest. Augenblicklich begann | |
das Wasser in unseren Kesseln zu faulen, der Captain bekam die Pest und ich | |
Skorbut. Mein Durst wurde von einer Sekunde auf die andere so unerträglich, | |
dass ich wahnsinnig wurde und beinahe Meerwasser getrunken hätte, wenn der | |
Captain nicht eine jungfräuliche Zweiliterflasche Mineralwasser an Bord | |
geschmuggelt hätte. | |
Nach unendlichen zwanzig Minuten traf Captain Max eine Entscheidung: „Ich | |
rufe da jetzt an!“, sprach er und wählte auf seinem Handy die Notnummer, | |
die gut sichtbar auf dem Steuerrad angebracht war. Nach weiteren zehn | |
Minuten kam ein Rettungsboot, dessen jugendlicher Skipper uns erklärte, wir | |
hätten uns nur in der Ebbe festgefahren, aber seit fünfzehn Minuten wieder | |
genug Wasser der rückkehrenden Flut unterm Kiel, um allein weiterfahren zu | |
können. | |
Unter dem schallenden Hohngelächter der Penzancer Seemänner kehrten wir in | |
den Hafen zurück! Na und? Es war ja unsere erste Kaperfahrt! Quasi nur ein | |
Testlauf. Fürchtet uns, wenn wir ernst machen … | |
22 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Corinna Stegemann | |
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