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# taz.de -- CDUlerin über bedrohte Flüchtlinge: „Durchgreifen, sobald ein S…
> In Deutschland brennen jede Woche Flüchtlingsheime. Die
> Integrationsexpertin Cemile Giousouf über Rechtsextreme, Asylpolitik und
> Verantwortung.
Bild: Demo von „besorgten Bürgern“ in Heidenau, 28.08.2015.
taz: Frau Giousouf, in dieser Woche endet die parlamentarische Sommerpause
des Bundestages. Während des Sommers hat sich die Situation für Flüchtlinge
in Deutschland dramatisch zugespitzt. CDU-Innenminister de Maizière will
die Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen verdoppeln und setzt auf
Gutscheine statt Bargeld. Ist das die richtige Antwort der Union an
bedrohte Menschen?
Cemile Giousouf: Unser Innenminister versucht damit, die Anreize für die
Menschen zu mindern, die hier kein Recht auf Asyl haben. Es ist menschlich
nachvollziehbar, dass diese Leute den entsprechenden Antrag stellen. Unser
Grundgesetz regelt klar, wer Recht auf Asyl in Deutschland hat.
Wirtschaftliche Gründe zählen eben nicht dazu. Damit sind wir langfristig
überfordert. Wir müssen statt dessen den Schutzbedürftigen helfen, die ein
begründetes Recht auf Asyl haben.
Und was sagen Sie nun zu dem Gutschein-Vorschlag des Innenministers?
Ich halte davon wenig. Ich würde mir wünschen, dass wir unsere Energie auf
andere Fragen richten.
Bitte ein paar Beispiele. Welche wären das?
Ein Weg wäre, weitere sichere Herkunftsstaaten gesetzlich festzulegen und
die Verfahren zu beschleunigen. Und wir müssen die entsprechenden Länder in
die Verantwortung nehmen, ihre Minderheitenrechte einzuhalten und Bürger
besser zu behandeln. Natürlich geht es auch um Geld: Der Bund verdoppelt
seine Zuweisungen an die Länder und Kommunen.
In Deutschland brennen in jeder Woche Flüchtlingsunterkünfte. Hätte die
Bundesregierung – allen voran die Kanzlerin – früher reagieren müssen?
Dass die Lage so eskaliert, konnte niemand voraussehen. Das Ausmaß hat uns
alle schockiert. Aber es reicht nicht mehr, dass sich Politikerinnen und
Politiker solidarisch erklären. Wir müssen darüber nachdenken, was wir
strukturell tun können, um diesen Fremdenhass langfristig zu bekämpfen. Die
Flüchtlinge werden ja dort vor Ort leben.
Was muss passieren?
Die Flüchtlinge müssen gut untergebracht und geschützt werden. Wir brauchen
für die Integration dieser Menschen einen langfristigen Plan. Und wir
müssen die Fluchtursachen bekämpfen. Betroffenheit hilft jetzt nicht
weiter. Man sieht in diesen Tagen deutlich, dass die Linie nicht zwischen
den Flüchtlingen und der deutschen Bevölkerung verläuft, sondern zwischen
den Demokraten und denen, die gegen unsere Demokratie agieren.
Sie sagen: Menschen, die gegen Flüchtlinge hetzen, stehen außerhalb des
Grundgesetzes. Was sollte der Staat gegen diese Personen unternehmen? Der
Bund deutscher Kriminalbeamter fordert eine Neudefinition des
Terrorismus-Begriffs.
Ich bin ganz nah an dieser Forderung. Aber es würde schon sehr viel helfen,
wenn die Polizei härter durchgreift, sobald ein Stein fliegt, sobald ein
Arm gereckt wird. Es gibt ja genug Beispiele, wo geltendes Recht konsequent
angewendet wird.
Flüchtlinge, die aus einer Bedrohungssituation kommen, haben Angst in
Deutschland. Was sagen Sie als Integrationsbeauftragte diesen Menschen?
Dafür kann man sich eigentlich nur schämen. Ich hoffe, das wir als
Gesellschaft die aktuelle Bedrohungslage in den Griff bekommen. Denn das
ist unsere Aufgabe. Die Menschen, die hier herkommen, haben ein Recht auf
Unversehrtheit.
Auch unter Helfern wächst die Angst vor Angriffen. Wie können sie geschützt
werden?
Sie haben ja gesehen, selbst die Bundeskanzlerin wurde als Volksverräterin
bezeichnet. Diesen Leuten ist erkennbar egal, welche Autorität, welcher
Mensch vor ihnen steht. Das muss man mit aller Härte bekämpfen.
Was muss die Große Koalition jetzt anpacken?
Das Schicksal der Schwächsten muss jetzt in den Fokus der Politik rücken.
Ich wünsche mir, dass das zu einer Herzensaufgabe der Bundesregierung wird.
Und zwar nicht nur der Unionsfraktion. Mich stört, wie wir uns
parteiübergreifend die Verantwortung zuschieben. Das ist das falsche
Signal. Ich würde mir wünschen, dass Europa gemeinsam mindestens genauso
viel Energie in die aktuelle Flüchtlingspolitik steckt, wie wir das zuletzt
in der Griechenland-Frage getan haben.
31 Aug 2015
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
CDU/CSU
Asyl
Schwerpunkt Flucht
Internet
Reinickendorf
Politikberatung
Flüchtlinge
Heidenau
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