# taz.de -- Westbalkangipfel in Wien: Mehr Wirtschaft, weniger Menschen | |
> Beim Westbalkangipfel vereinbaren Deutschland und Österreich eine | |
> wirtschaftliche Entwicklung. Es soll weniger Anreize für Migration geben. | |
Bild: Ein Abkommen! Endlich kann sich Angela Merkel mal wieder freuen. | |
WIEN taz | Die Tür zur EU hat sich für einige Länder des Balkans einen | |
Spaltbreit geöffnet. Das ist das Ergebnis des Westbalkangipfels, der | |
Donnerstag in der Wiener Hofburg über die Bühne ging. Beherrscht wurde die | |
Konferenz aber von der Flüchtlingskrise, deren Bewältigung von der EU als | |
gemeinsame Aufgabe gesehen wird. | |
Dass Handlungsbedarf besteht, wurde allen drastisch vor Augen geführt, als | |
die österreichische Polizei Donnerstag Vormittag auf der Autobahn im | |
Burgenland unweit der ungarischen Grenze einen abgestellten Lkw entdeckte, | |
in dem sie nach ersten Angaben zwischen 20 und 50 Leichen fand. | |
Die Abwehr, Unterbringung und gerechte Aufteilung von Asylsuchenden auf | |
alle 28 EU-Staaten hatten sich schon vorher in die Agenda des Gipfels | |
gedrängt, bei dem sich die Regierungschefs von Deutschland und Österreichs | |
mit denen aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, | |
Montenegro und Serbien trafen. | |
Serbiens Premierminister Aleksandar Vučićbetonte die Dringlichkeit einer | |
Lösung für die Flüchtlingsströme, die durch sein Land ziehen, um über | |
Ungarn nach Deutschland oder in andere westeuropäische Länder zu gelangen. | |
70.000 Durchreisende sind dort völlig unversorgt. Besonders viele in der | |
Kleinstadt Preševo, dicht an der Grenze zu Mazedonien. Serbiens | |
Außenminister Ivica Dačić appellierte an die EU, sein Land nicht | |
alleinzulassen. Mit den bisher überwiesenen 90.000 Euro fange man nichts | |
an: „Auch mit einer Million nicht.“ | |
Unter dem Eindruck jüngster rechtsextremer Ausschreitungen gegen | |
Flüchtlinge sahen sich sowohl Angela Merkel als auch Österreichs | |
Bundeskanzler Werner Faymann veranlasst, die Verantwortung der EU für | |
menschenwürdige Unterbringung und rechtsstaatliche Verfahren für | |
Flüchtlinge zu betonen. | |
Die Transitländer, so Faymann, sollen in die Asylstrategie der EU | |
eingebunden werden. Das heißt natürlich auch: mehr Geld aus Brüssel. Wie | |
viel, das ist offenbar noch Verhandlungssache. | |
## Normalisierung zwischen Serbien und dem Kosovo | |
Die Westbalkanländer sind aber nicht nur Korridor für Kriegsflüchtlinge, | |
sondern gleichzeitig Ursprung von Migranten. Den Menschen, die sich wegen | |
der wirtschaftlichen Misere im Heimatland auf den Weg in die EU machen, | |
wollte Merkel in der abschließenden Pressekonferenz keine Hoffnungen | |
machen. Die EU werde eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsstaaten | |
erstellen, in die Asylwerber vereinfacht zurückgeschoben werden können. | |
Statt Anreize für die Auswanderung zu geben, will man die wirtschaftliche | |
Entwicklung der Region fördern. Ein umfangreicher Plan, der nicht nur die | |
Straßenverbindungen, eine solide Stromversorgung und das Eisenbahnnetz auf | |
dem Balkan verbessern, sondern auch verfeindete Staaten näher | |
zusammenbringen soll, wurde unterzeichnet. Daneben soll der Jugendaustausch | |
nach dem deutsch-französischen Vorbild zu einer Konstante der balkanischen | |
Zusammenarbeit werden. | |
Merkel sieht auch die am Dienstag in Brüssel vereinbarte Normalisierung | |
zwischen Serbien und dem Kosovo als wichtige Vorleistung für die Gespräche | |
über einen Beitritt zur EU. Serbien hat aber die abtrünnige Provinz nicht | |
als Staat anerkannt und die serbische Minderheit im Kosovo verweigert sich | |
beharrlich der Integration. Konkret geht es bei dem Abkommen um | |
Zusammenarbeit auf den Gebieten Energie, Telekommunikation, | |
Gemeindeentwicklung und Freizügigkeit. | |
Erfreut zeigte sich die Kanzlerin über die Dynamik der Zusammenarbeit, die | |
seit dem ersten Gipfel vor einem Jahr in Berlin entstanden sei. | |
EU-Außenkommissarin Federica Mogherini betonte, dass wirtschaftliche | |
Impulse auf dem Balkan die Region auch gegen Radikalisierung und | |
Terrorismus schützen werde. | |
Die allgemeine Zufriedenheit wurde auch von Aleksandar Vučić geteilt, der | |
betonte, er sehe die EU „nicht als Bankomaten“, sondern als „eine | |
Organisation mit vielen Institutionen, deren Werte wir teilen“. | |
27 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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