| # taz.de -- Notruf vor dem Berliner Lageso: Dies ist eine falsche Information | |
| > 200 Flüchtlinge warten abends auf einen Schlafplatz. Das Amt tut nichts, | |
| > klagen Helfer. Alles ist geregelt, sagt der Sozialsenator. Das stimmt | |
| > nicht. | |
| Bild: Tagsüber warten die Flüchtlinge vor dem Lageso auf eine Registrierung, … | |
| Es brennt. Von der abgefackelten Turnhalle in Reinickendorf, in der auch | |
| Flüchtlingskinder Fußball gespielt haben, weht leichter Qualmgeruch | |
| herüber. Die Journalisten warten am frühen Mittwochabend hinter dem | |
| Absperrband auf weitere Infos. 18.31 Uhr: Das Handy klingelt. „Vor dem | |
| Lageso warten 200 Flüchtlinge“, erzählt eine der Engagierten von „Moabit | |
| hilft“, [1][der Initiative, die seit Wochen die Flüchtlinge vor dem | |
| Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales versorgt]. | |
| Die offizielle Ansage vom Amt aber sei: Heute kämmen keine Busse, um die | |
| Wartenden in Notunterkünfte zu fahren, weil jene voll seien. „200 | |
| Obdachlose, wir wissen nicht, was wir tun sollen“, sagt die Frau. | |
| Wenig später tauchen Berlins Innensenator Frank Henkel, Sozialsenator Mario | |
| Czaja (beide CDU) und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) auf. Sie sind | |
| alle hier, klar, weil es brennt. Angesprochen auf die Situation vor dem | |
| Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) sagt Czaja: „Das ist eine | |
| falsche Information.“ Es seien Busse unterwegs, und es gebe Platz für 200 | |
| Leute in einer Notunterkunft in Karlshorst. | |
| 19.45 Uhr, Realitätscheck am Eingang des Lageso-Geländes: Die 200 | |
| Flüchtlinge sind noch da, die Busse nicht. Die kommen auch nicht, sagen | |
| Mitarbeiter von „Moabit hilft“. Das bestätigt auch eine engagierte | |
| Lageso-Mitarbeiterin, die gerade Großraumtaxis ordert, um die Wartenden zu | |
| einzelnen Restplätzen in offiziellen Unterkünften zu schicken. Ein Polizist | |
| schüttelt den Kopf, als er das hört. Nach Informationen der taz wurden die | |
| Lageso-Mitarbeiter gegen 17 Uhr per Mail angewiesen, die Flüchtlinge weg zu | |
| schicken. Auf die Straße. | |
| 20.15 Uhr. Telefonische Nachfrage beim Sozialsenator, was denn nun stimme. | |
| Sein Stand sei, sagt Czaja, dass auf der Wiese vor dem Amt nur noch ein | |
| paar Menschen Fußball spielen und alle Familien mit Kindern untergebracht | |
| seien. Tatsächlich ist die Wiese weitgehend leer: Die Flüchtlinge warten | |
| [2][wie jeden Abend 200 Meter entfernt am Eingang des Geländes]. Darunter | |
| viele Frauen und Kinder, ein Querschnittsgelähmter im Rollstuhl. Andere | |
| sind längst in den als gefährlich geltenden Park nebenan gezogen. Czaja | |
| verspricht, nochmal mit dem Lageso-Chef Franz Allert zu reden. | |
| ## Die private Schlafbörse | |
| Die 20-jährige Sahra organisiert derweil per Telefon, Facebook und über die | |
| Webseite [3][moabit-hilft.com] Schlafgelegenheiten in Privatwohnungen. | |
| „Platz für eine dreiköpfige Familie“, ruft sie den anderen freiwilligen | |
| HelferInnen zu. Die schauen dann, welche Gruppe wohin passt. „Platz für | |
| vier Männer“: Die Flüchtlinge werden per Taxi gebracht oder gleich von | |
| ihren Gastgebern abgeholt. Sahra hat mit anderen meist jungen Frauen | |
| mittlerweile ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut. Warda, die auch | |
| mitmacht, sagt später, sie allein habe an diesem Abend Plätze für 40 | |
| Menschen vermittelt; ihre MitstreiterInnen weitere rund 60 Plätze. | |
| Franz Allert taucht auf. Der Lageso-Chef zieht die Verteilung der | |
| Restplätze in öffentlichen Unterkünften an sich. Die von „Moabit hilft“, | |
| meint Allert, seien gut, aber ein wenig hektisch. „Das muss hier alles | |
| Schritt für Schritt gehen“. Auf die Frage, wieso es erst keine freien | |
| Plätze geben soll, dann 200 an einem Ort und nun doch nur einzelne über die | |
| Stadt verteilt, sagt Allert, sein Amt müsse halt immer ein paar Betten für | |
| Spätankömmlingen und Notfälle frei halten. Das eigentliche Problem aber | |
| sei: insgesamt gebe es viel zu wenig. „Bekämen wir eine neue Halle mit 250 | |
| Plätzen, wäre die am gleichen Tag voll. Wir bräuchten etwas richtig | |
| Großes.“ Sowas wie das ehemalige Flughafengebäude in Berlin-Tempelhof. Aber | |
| da gebe es noch Probleme mit dem Denkmalschutz. | |
| Einer der jungen Moabithelfer erklärt, bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in | |
| der Pankstraße gebe es seit Tagen 15 freie Betten. Die würden nur auf eine | |
| Kostenübernahme durch das Lageso warten. Die komme aber nicht. | |
| Das ist falsch, sagt Allert, der junge Mann verstehe das System nicht. Wenn | |
| die AWO freie Plätze hätte, dann würde das sein Amt doch wissen. | |
| Erst nach langer Debatte lässt Allert doch dort nachfragen. Fünf Minuten | |
| später ruft die engagierte Lageso-Mitarbeiterin nach dem „Mann mit der | |
| AWO“. Es sei jetzt alles klar, die AWO habe tatsächlich freie Betten, der | |
| junge Mann darf 15 Flüchtlinge aussuchen und zur Pankstraße bringen. „Du | |
| kennst den Weg?“ Er nickt. Er war ja schon da. | |
| ## „Super Job!“ | |
| Ein Frau von „Moabit hilft“ bedankt sich bei der Lageso-Frau. Super Job! | |
| Die beiden fallen sich in die Arme. „Ich bin die Mareike“. „Ich bin die | |
| Petra“. | |
| 21.30 Uhr. Ein paar Flüchtlinge sitzen immer noch in der Turmstraße, aber | |
| die meisten sind tatsächlich irgendwo untergebracht. Für diese Nacht. | |
| Ein paar Deutsch-Araber bringen verschiedene Getränke. Eine Frau spendet | |
| Schlafsäcke und Isomatten. Der junge Schlacks von „Moabit hilft“, der hier | |
| jeden Abend steht, bereitet sich auf die Nachtwache vor. Er trägt eine | |
| stichfeste Weste. Für den Fall, dass es mal wieder brennt. | |
| 27 Aug 2015 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gefluechtete-in-Berlin/!5225360/ | |
| [2] /Fluechtlinge-in-Berlin/!5222620 | |
| [3] http://moabit-hilft.com | |
| ## AUTOREN | |
| Gereon Asmuth | |
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