| # taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: „Was der Senat tut, ist unzureichend“ | |
| > Unterstützung bei der Wohnungssuche auch für schon anerkannte Flüchtlinge | |
| > fordert der flüchtlingspolitische Sprecher der Piraten Fabio Reinhardt. | |
| > Diese würden alleingelassen. | |
| Bild: Für Flüchtlinge kaum zu finden: Wohnungen in Berlin. | |
| taz: Herr Reinhardt, mitten in der Sommerpause tut sich plötzlich etwas für | |
| Flüchtlinge: Der Senat legt ein Flüchtlingskonzept vor, es gibt einen | |
| „Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement“. Freut Sie das? | |
| Fabio Reinhardt: „Plötzlich“ ist gut: Seit letztem Herbst wurde an dem | |
| Flüchtlingskonzept gearbeitet, es sollte schon Ende Juni verabschiedet | |
| werden und wurde vertagt, weil die verschiedenen Senatsverwaltungen über | |
| Formulierungen gestritten haben. Es ist gut, dass es jetzt eins gibt. Aber | |
| es kommt viel zu spät. | |
| Gefällt Ihnen denn gar nichts an dem Konzept? | |
| Es gibt darin einige gute Absichtserklärungen, etwa was die Versorgung von | |
| Flüchtlingen mit Wohnungen angeht. Leider sind diese viel zu unkonkret. | |
| Zudem: Was bringen solche Bekenntnisse, wenn zeitgleich Leute immer noch | |
| tagelang vor dem Lageso warten und mangels Unterkünften in Parks schlafen | |
| müssen? | |
| Um diese Probleme soll sich der Koordinierungsstab kümmern, der mit weit | |
| reichenden Kompetenzen ausgestattet ist. | |
| Auch der kommt zu spät. Es ist ja nicht erst seit drei Wochen, sondern seit | |
| Monaten so, dass die Leute da zehn und mehr Stunden in der Warteschlange | |
| stehen – Menschen, die teils lange Fußmärsche hinter sich haben, Kranke. Es | |
| hat zu lange gedauert, bis der Senat eingesehen hat, dass wir da ein | |
| Problem haben. Der zuständige Sozialsenator Mario Czaja (CDU) ist | |
| jedenfalls erst mal in Urlaub gefahren. Es musste sich der Regierende | |
| Bürgermeister Michael Müller (SPD) einschalten, damit dort etwas geschieht. | |
| Und was der Senat jetzt tut, ist immer noch völlig unzureichend. | |
| Wieso denn? | |
| Die meiste Hilfe vor dem Lageso kommt doch immer noch von Ehrenamtlichen. | |
| Erst seit einer Woche ist mit der Caritas ein professioneller | |
| Wohlfahrtsverband eingebunden, und es gibt kaum Unterstützung vom Land. | |
| Es gibt immerhin mehrere neue Flüchtlingsheime! | |
| Die hätten alle viel früher eröffnet werden können, wenn Czajas Verwaltung | |
| besser funktionierte. Dass die Situation vor dem Lageso so eskaliert ist, | |
| dazu hat der Sozialsenator beigetragen. | |
| Sie haben sich eins der neuen Heime angesehen: die Unterkunft auf dem | |
| früheren Telekom-Gelände in Karlshorst. Helfer kritisieren dort fehlende | |
| Standards wie abschließbare Zimmertüren. Der Senat überlegt, solche | |
| Standards zu senken, um Heime künftig schneller eröffnen zu können. | |
| Ich halte es für problematisch, Standards zu senken. Die Erfahrung zeigt: | |
| Absenkung von Standards aus einer Notsituation heraus hat immer dazu | |
| geführt, dass sich die niedrigeren Standards verstetigen. Und es ist dann | |
| später schwer, wieder umzusteuern. Zudem: Werden Standards erst abgesenkt, | |
| werden diese dann oft noch schlechter als bisher schon kontrolliert. Das | |
| ist nicht akzeptabel. | |
| Überfüllt sind die Heime auch, weil Flüchtlinge, die längst Wohnungen | |
| beziehen dürften, keine vermietet bekommen. Nun hat der Senat beschlossen, | |
| jede zehnte frei werdende Sozialwohnung an Obdachlose oder Flüchtlinge zu | |
| vermieten. Löst das das Problem? | |
| Die Idee ist sinnvoll. Bisher wurden solche Kontingente jedoch immer nur | |
| dazu genutzt, darüber hinaus dann keine Wohnungen an die Zielgruppe mehr zu | |
| vermieten. Und Flüchtlinge, die das Asylverfahren durchlaufen haben, aber | |
| weiter in den Heimen wohnen, weil sie keine Wohnungen finden, werden | |
| bislang völlig alleingelassen. Für sie gibt es keine Beratung, keine | |
| Unterstützung. Deshalb bleiben sie in den Heimen hängen. | |
| Es gab Überlegungen des Senats, die Wohnungsvermittlungsstelle des EJF beim | |
| Lageso auch mit der Vermittlung für diese Zielgruppe zu betrauen. | |
| Das wäre wünschenswert. In einer Anfrage sagte mir der Senat kürzlich aber, | |
| dass es aktuell keine Bestrebungen gibt, das Wohnungskontingent für | |
| Asylsuchende für anerkannte Flüchtlinge zu öffnen. Der Senat sieht die | |
| Verantwortung für diese Gruppe bei den Bezirken. Es ist aber niemandem | |
| dadurch geholfen, dass sich Behörden gegenseitig die Verantwortung | |
| zuschieben. Wir brauchen auch für Anerkannte und Geduldete eine | |
| Wohnungsvermittlungsstelle. | |
| 23 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Alke Wierth | |
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