# taz.de -- Konjunkturforscher über Börsenabsturz: „Kein Grund zur Panik“ | |
> Auf der ganzen Welt brechen die Börsen ein. Trotzdem wächst die deutsche | |
> Wirtschaft, sagt Konjunkturforscher Thomas Theobald. Spekulanten neigen | |
> zur Übertreibung. | |
Bild: AnlegerInnen sind wegen der Kursschwankungen nervös. | |
taz: Herr Theobald, die Börsen sind weltweit eingebrochen. Welche | |
Konsequenzen hat das für die deutsche Wirtschaft? | |
Thomas Theobald: Zu einem Abschwung wird es nicht kommen. In unserem | |
Institut sind wir bisher davon ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaft in | |
diesem Jahr um 2,0 Prozent wächst. Unsere aktuelle Prognose ist noch nicht | |
abgeschlossen, doch wir werden sie etwas nach unten korrigieren. Aber nicht | |
dramatisch. | |
Warum sind Sie so optimistisch? | |
Die Börsen sind zwar eingebrochen, aber Spekulanten neigen zu | |
Übertreibungen. Die Wirtschaftslage ist nicht so schlecht. | |
Die Börsenkurse in China haben sich fast halbiert. Das soll ungefährlich | |
sein? | |
Die Kurse sind so stark abgestürzt, weil sie vorher extrem gestiegen sind. | |
Im Vergleich zu 2014 liegen die Aktienkurse in China 44 Prozent höher. Aber | |
ich will die Probleme in China nicht klein reden. Die staatlichen Provinzen | |
und einige Unternehmen sind hoch verschuldet, auch war die | |
Investitionsquote zu hoch. Da sind zum Teil Überkapazitäten geschaffen | |
worden. Es wurden Straßen, Fabriken und Wohnungen gebaut, die nicht | |
ausreichend ausgelastet sind. Problematisch ist auch, wenn sich Haushalte | |
verschuldet haben, um am Aktienboom teilzuhaben. Aber auch wenn sich das | |
Wachstum in China abschwächt: Es dürfte mehr als 6 Prozent betragen. | |
Wenn China nicht mehr boomt, was bedeutet das für die deutschen Exporteure? | |
Es gibt keinen Grund zur Panik. Ausfuhren nach China machen 6,6 Prozent der | |
deutschen Exporte aus. Wenn das Wachstum in China um drei Prozentpunkte | |
sinkt, könnte es sein, dass das Wachstum in Deutschland bis zu 0,3 | |
Prozentpunkte niedriger ausfällt. Das ist zu verkraften. | |
Börsianer können auch rechnen. Warum ist der deutsche Aktienindex DAX | |
trotzdem stark gesunken? | |
Der DAX hatte vorher ordentlich zugelegt – um mehr als 30 Prozent. Dies | |
hatte vor allem mit den niedrigen Zinsen zu tun, die die Eurozone braucht, | |
damit sich die Wirtschaft in den Krisenländern erholen kann. Viele Anleger | |
sind in die Aktien ausgewichen, weil sie hofften, dort mehr Geld zu machen. | |
Nach starken Kursanstiegen werden die Anleger immer nervös, weil sie | |
wissen, dass es irgendwann zur Korrektur kommt. Also reagieren sie bereits | |
bei kleinen Anlässen panisch. | |
Diese Panik scheint um die Welt zu schwappen. Nicht nur China ist in | |
Bedrängnis, auch aus anderen Schwellenländern ziehen Anleger ihr Geld ab. | |
Viele Anleger erwarten, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen anhebt – und | |
bringen ihr Geld in die USA zurück. Für Länder wie Brasilien kann dieser | |
Kapitalabfluss bedeuten, dass sie noch stärker in die Rezession schlittern. | |
Droht also doch der Absturz der Weltwirtschaft? | |
Wir glauben nicht, dass es zum Crash kommt. Ab Juni 2014 sind die | |
Rohstoffpreise rasant gefallen, weswegen jetzt viele Schwellenländer | |
Probleme haben, die Rohstoffe exportieren – und diesen plötzlichen | |
Preisverfall hat die Weltwirtschaft auch verkraftet. | |
Sie klingen, als wäre es kein Problem, dass täglich mit Billionen Dollar | |
spekuliert wird. | |
Das wäre ein Missverständnis. Seit der Asienkrise 1997 nimmt das Auf und Ab | |
an den Börsen ständig zu. Das ist gefährlich. Nach der letzten Finanzkrise | |
wurde auf G-20-Treffen verabredet, die spekulativen Derivategeschäfte | |
einzudämmen. Aber stattdessen nehmen sie sogar zu. Da müssen die Staaten | |
endlich eingreifen – und den Banken unter anderem vorschreiben, dass sie | |
für jedes einzelne Spekulationsgeschäft mehr Eigenkapital als bisher | |
hinterlegen müssen. | |
26 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
## TAGS | |
Börse | |
DAX | |
Aktien | |
US-Notenbank | |
Brasilien | |
DAX | |
Börse | |
Börse | |
China | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Stabilität der Bankensysteme gefährdet: Janet Yellen regiert die Welt | |
In dieser Woche könnte die Chefin der US-Notenbank Fed eine Anhebung der | |
Leitzinsen verkünden. Das wird die Weltwirtschaft hart treffen. | |
Soziologe über Brasiliens Ökonomie: „Genossenschaften mit Verrückten“ | |
Seit 12 Jahren ist Paul Singer in Brasilien Staatssekretär für Solidarische | |
Ökonomie. Nun bedroht der Sparkurs der Präsidentin das erfolgreiche | |
Projekt, sagt er. | |
Kommentar Dax-Absturz: Kein Vertrauen in die Konjunktur | |
Es ist Quatsch, zu glauben, alle Deutschen könnten ihr Vermögen sichern, | |
indem sie Aktien kaufen. Vermögen lässt sich nicht individuell retten. | |
Fallende Börsenkurse: Im Abwärtsstrudel | |
Weltweit fallen die Börsenkurse. Warum ist das so? Wer profitiert? Droht | |
die nächste Weltwirtschaftskrise? | |
Anleger fürchten Flaute in China: Massive Verluste an Asiens Börsen | |
In Tokio fiel der Nikkei-Index unter 19.000 Punkte. Auch in Hongkong | |
sackten die Kurse ab. Chinas Zentralbank will den Mindestreservesatz für | |
Banken senken. | |
Chinesische Währungsintervention: China gibt sich Exporthilfe | |
Die Zentralbank hat den Yuan gegenüber dem Dollar abgewertet. Diese | |
Maßnahme soll auch dazu dienen, den Einfluss im IWF auszubauen. |