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# taz.de -- Verfassungswidriger Sonderweg: Sekte grundlos abgelehnt
> Bremen verliert im Streit über die Anerkennung der Zeugen Jehovas als
> Körperschaft vor dem Bundesverfassungsgericht.
Bild: Missionierungserfolg: Zeugen Jehovas lassen sich im HSV-Stadion taufen.
Bremen hat vor dem Bundesverfassungsgericht eine klare und absehbare
Niederlage gegen die Zeugen Jehovas (ZJ) erlitten. Die Karlsruher Richter
gaben einer Verfassungsbeschwerde der Religionsgemeinschaft zumindest
teilweise statt – und erklärten einen Artikel der Landesverfassung Bremens
für verfassungswidrig.
Bei dem Streit geht es darum, ob Bremen die ZJ als Körperschaft des
Öffentlichen Rechts anerkennen muss. 12 der 16 Bundesländer haben ihnen
diesen schwer einklagbaren Status bereits verliehen, der ihnen ähnliche
Privilegien wie christlichen Kirchen bei der Gründung konfessionell
gebundener Kindergärten oder Schulen sowie im steuerlichen Bereich gibt.
Außerdem genießen sie eine Reihe Vorrechte, etwa das Recht auf
konfessionellen Religionsunterricht oder die Berücksichtigung in
Rundfunkgremien.
Anders als andere Bundesländer hat Bremen festgelegt, dass die Verleihung
des Körperschaftsstatus durch ein Landesgesetz geregelt werden muss, das
die Bremische Bürgerschaft erlässt. Dies verstoße gegen den Grundsatz der
Gewaltenteilung, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (AZ: 2 BvR 1282/11). Nun muss das Land erneut
entscheiden.
Zwar müssten die Länder prüfen, ob einer Religionsgemeinschaft das begehrte
Privileg zu verleihen ist. Dies sei jedoch Aufgabe der Verwaltung. In
Bremen dagegen sei dies „ohne zwingende Gründe“ in die ausschließliche
Kompetenz des Parlamentes gelegt worden. Dies verstoße gegen die
grundgesetzlich garantierte Gewaltenteilung, so die Verfassungsrichter. Die
Entscheidung erging mit fünf zu drei Stimmen.
Der rot-grüne Bremer Senat empfahl schon 2009, den Zeugen Jehovas den
Status zuzuerkennen. Doch eine schwarz-grüne Koalition kämpfte seinerzeit
in der Bremischen Bürgerschaft gegen eine solche Aufwertung.
Dabei kam auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages
zu eindeutigen Ergebnissen: Die Zeugen Jehovas haben auch in Bremen ein
Recht darauf, als Körperschaft des Öffentlichen Rechtes anerkannt zu
werden. Das ist ein Verfassungsanspruch, der durch
Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahre 2000 im Grunde
höchstrichterlich anerkannt ist. Wer den Zeugen die Anerkennung in Bremen
also verweigern will, müsste den ZJ nun systematischen Rechtsbruch
nachweisen.
Die Bremische Bürgerschaft aber befand nur ganz abstrakt die „Rechtstreue“
der ZJ für mangelhaft – ohne den nötigen Beweis zu führen. Glaubhaft machen
könnte das wohl nur eine Flut einschlägiger Urteile.
Die gab es nicht, weshalb eine parlamentarische Anhörung seinerzeit
sachliche Gründe für die emotionale Ablehnung liefern sollte. Das gelang
nur in Ansätzen. Die ZJ kritisierten die Anhörung als „Inszenierung“.
Juristisch kaum belastbar waren etwa die von zwei Sektenbeauftragten der
Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) sowie mehreren
Aussteiger-VertreterInnen vorgetragenen Sachverhalte und Eindrücke: Sie
gaben Auskunft über Psychodruck bei den ZJ, deren rückständige Sexualmoral
und ihre eigentümliche interne Gerichtsbarkeit. Die BEK hatte den ZJ schon
1996 eine Broschüre „Destruktive Kulte“ gewidmet. Als die
Religionsgemeinschaft gegen die darin aufgestellten Tatsachenbehauptungen
klagte, erklärte der Sektenbeauftragte, er schreibe „fast keinen einzigen
Satz“ mehr so.
Inland SEITE 7
Meinung SEITE 12
11 Aug 2015
## AUTOREN
Jan Zier
## TAGS
Bremen
Bundesverfassungsgericht
Zeugen Jehovas
Kirche
Christentum
Bremische Bürgerschaft
Sekte
Papst Franziskus
Zeugen Jehovas
Evangelikale
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