# taz.de -- Personalkarussell bei der Deutschen Bank: Altlasten-Entsorgung | |
> Das Flaggschiff des bundesrepublikanischen Kapitals tauscht seinen | |
> Chefjuristen aus – und zeigt, dass es im Umgang mit Skandalen nichts | |
> gelernt hat. | |
Bild: Der Deutschen Bank mangelt es anscheinend am Willen zur Transparenz. | |
BERLIN taz | Der neue Chef der Deutschen Bank, John Cryan, zeigt Tatkraft | |
bei der Bewältigung der kriminellen Vergangenheit der Bank. Er nimmt seinen | |
Top-Juristen aus der Schusslinie, der als Aufklärungsblockierer gilt. Doch | |
in Wirklichkeit macht Cryan das Gleiche wie sein Vorgänger: Aufklärung | |
antäuschen, simulieren. | |
Das Flaggschiff des deutschen Kapitals steckt in einer tiefen Krise: | |
Aktuell schlägt sich die Deutsche Bank mit rund 7.000 Rechtsstreitigkeiten | |
herum, einige könnten Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen. | |
„Dieses Thema zu lösen ist meine persönliche Priorität“, erklärte John | |
Cryan kürzlich in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Die | |
Börsenbeobachter werden das gerne gehört haben, denn der ständige Ärger mit | |
Justizbehörden gefällt den AnlegerInnen gar nicht. Sie wollen Milliarden | |
als Dividende ausgezahlt bekommen und nicht als Strafzahlung verschwinden | |
sehen. Seit 2012 hat die Bank mehr als 8 Milliarden Euro für Strafen und | |
Rechtskosten gezahlt. | |
Cryan ist vor fünf Wochen als Nachfolger von Anshu Jain in die Frankfurter | |
Zwillingstürme eingezogen. Jain wurde immer wieder seine Verwicklung in die | |
Libor-Affäre vorgeworfen, einem der größten Skandale in der Finanzwelt. Es | |
geht um einen Zinssatz, der für KundInnen auf der ganzen Welt darüber | |
entscheidet, ob sie für ihre Immobilienkredite mehr oder weniger zahlen | |
müssen. Manager von Großbanken haben den Zinssatz hoch- und runtergefahren | |
– je nachdem, worauf sie gerade gewettet hatten und womit sie und vor allem | |
ihre Arbeitgeber mehr verdienen konnten. | |
Solche Manipulationen sind verboten. Sie kamen ans Licht, als sich der | |
Liborzinssatz in der Finanzkrise merkwürdig entwickelte. Die Aufregung war | |
groß, die Verantwortlichen der Deutschen Bank erklärten ihre Bereitschaft, | |
die Manipulationen zu durchleuchten und Konsequenzen zu ziehen. So etwas | |
hat seinen Preis, wenn es auffällt: 2,2 Milliarden Euro musste die Deutsche | |
Bank an Strafe zahlen, mehr als jede andere der rund ein Dutzend | |
beteiligten Banken. Das sind auch für die Deutsche Bank keine Peanuts. | |
## Seltene Indiskretion | |
Der Finanzaufsicht hatte vor allem die Rolle eines Mannes nicht gefallen: | |
des Deutsche- Bank-Chefjuristen Richard Walker. Er gilt als exzellenter | |
Kenner der US-amerikanischen Justiz, die für die Aufarbeitung der | |
Libor-Affäre maßgeblich verantwortlich war. Die Bundesanstalt für | |
Finanzdienstleistungsaufsicht hatte ihn wegen mangelnder Aufklärung | |
ausdrücklich kritisiert – so etwas ist in der diskreten Welt der Hochfinanz | |
selten. | |
Jetzt hat der neue Chef Cryan gezeigt, wie er mit der Libor-Affäre | |
weitermacht: so wie seine Vorgänger. Richard Walker wird seinen Posten | |
räumen – zum Jahresende und, so die Verlautbarung aus der Chefetage, auf | |
eigenen Wunsch. Doch vorerst darf er als interner Berater und im | |
erweiterten Vorstand bleiben. Cryan will den 64-Jährigen offenbar nicht | |
beschädigen und ihm einen honorigen Abgang verschaffen, zu der vermutlich | |
auch eine hübsche Summe mit vielen Nullen gehört. Eine Krähe hackt der | |
anderen eben kein Auge aus, auch und gerade nicht in der Finanzwelt. | |
Die Deutsche Bank geht mit ihren Megaskandalen immer noch um, als wären es | |
Kavaliersdelikte. „Der neue Chef der Deutschen Bank organisiert die | |
Rechtsabteilung neu, um Altlasten schneller abzuarbeiten“, schreibt das | |
wirtschaftsfreundliche Handelsblatt. | |
Doch wenn das wirklich so wäre, müsste er mit sich selbst beginnen. Er war | |
früher Finanzchef bei der UBS, einer Bank, die ebenfalls in den Skandal um | |
die Manipulation des Liborzinssatzes verwickelt war. Außerdem saß er lange | |
im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und hätte als Kontrolleur durchaus | |
Einfluss auf Verschleierung und Aufklärungsblockade nehmen können. | |
Der Deutschen Bank ist nicht klar, dass sie auf Bewährung ist. Wenn sie | |
ihre kriminelle Vergangenheit nicht in den Griff bekommt, wird sie | |
verschwinden. Macht nichts. Schade ist nur, dass dann all die anderen | |
Verbrechen ungesühnt bleiben, die sie auf dem Kerbholz hat – von ihrer | |
Verwicklung in den Nationalsozialismus über die Unterstützung des | |
südafrikanischen Apartheidstaats bis zu Rüstungsexporten. Auch das sind | |
Altlasten. | |
11 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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