| # taz.de -- Flüchtlinge vor Berliner Aufnahmestelle: Inshallah today | |
| > Erneut warten hunderte Menschen am Lageso auf ihre Registrierung. Der | |
| > Senat will am Dienstag sein neues Flüchtlingskonzept vorlegen. | |
| Bild: Wieder kommt das Lageso mit dem Andrang nicht klar: Am Montag warten hund… | |
| „Habibi, du wait da, guck tablet.“ Der Security-Mitarbeiter gibt sich alle | |
| Mühe, den wartenden Menschen zu erklären, was sie tun sollen. Er steht vor | |
| dem Eingang der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAA) in Moabit, | |
| an der Absperrung vor der am Montagvormittag etwa 200 Menschen langen | |
| Schlange – die eigentlich noch länger wäre, würden sich viele der Menschen | |
| nicht mit dem Schlangestehen abwechseln. | |
| Mit „tablet“ meint der Mann die Flipchart, die Mitarbeiter des Landesamts | |
| für Gesundheit und Soziales (Lageso), zu dem die ZAA gehört, neben dem | |
| Eingang aufgestellt haben. Denn wer eine Nummer bekommen hat, ist mit dem | |
| Warten noch nicht fertig: Etwa 100 Menschen harren in einem großen Pulk vor | |
| der Flipchart darauf, dass ein Lageso-Mitarbeiter einen gelben Zettel mit | |
| ihrer Nummer anklebt. Erst dann dürfen sie zur eigentlichen Registrierung, | |
| bei der sie die ihnen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehende Summe | |
| Geld sowie einen Platz in einer Unterkunft bekommen – zumindest | |
| theoretisch, tatsächlich sind Schlafplätze Mangelware. Viele hier | |
| übernachten in Parks. | |
| „Today?,“ fragt ein junger Mann den Sicherheitsdienst-Mitarbeiter und zeigt | |
| dabei auf seine Nummer. „Inshallah today“, antwortet dieser – wann die | |
| Leute tatsächlich an der Reihe sind, weiß hier niemand. Auch am Montag ist | |
| das Gelände wieder voll. Im Vergleich zur vergangenen Woche, als Berichte | |
| über die schlechte Versorgung der bei hohen Temperaturen stundenlang | |
| wartenden Menschen die Runde machten, hat sich die Lage aber etwas | |
| entspannt. Dank der Hilfsbereitschaft der Berliner: Immer wieder kommen | |
| Essens- und Sachspenden auf dem Gelände an, Helfer in gelben Westen | |
| verteilen Trinkwasser und Obst, aber auch Hygieneartikel und | |
| Kinderspielzeug. | |
| ## Resonanz auf Hilferuf | |
| Diana Henniges steht in Haus R des Gebäudekomplexes, es ist für die | |
| Lagerung der Spenden freigeräumt worden. Sie ist Teil der Initiative | |
| „Moabit hilft“, die am Donnerstag angesichts der steigenden Temperaturen | |
| einen Hilferuf veröffentlicht hat, der auf große Resonanz stieß. „Die | |
| Koordination ist eine Herkulesaufgabe, aber wir geben unser Bestes“, sagt | |
| Henniges. | |
| Über eine Internetseite geben die Helfer Bedarfslisten bekannt, vor Ort | |
| koordinieren sie die Verteilung und auch die Müllentsorgung. „Mittlerweile | |
| lässt uns das Lageso einigermaßen gewähren. Am Freitag hatte man uns noch | |
| die Malteser vor die Nase gesetzt, weil die es angeblich besser können“, | |
| sagt Henniges. Nun habe man einen Ansprechpartner aus der Behörde zugeteilt | |
| bekommen. Zu einem der Notfall-Gespräche, die seit vergangener Woche | |
| zwischen dem Amt und verschiedenen Politikern laufen, sei man allerdings | |
| nicht eingeladen worden. | |
| Der Senat will an diesem Dienstag ein Konzept zur Flüchtlingsversorgung | |
| verabschieden, in dem auch die Unterbringung der Menschen geregelt werden | |
| soll. Lageso-Chef Franz Allert hatte am Wochenende verkündet, die | |
| Registrierung der Neuankömmlinge künftig vermehrt von mobilen Teams direkt | |
| in den Unterkünften vorzunehmen. Dann müssten die Menschen nicht mehr | |
| tagelang vor dem Lageso warten. | |
| Heiko Herberg, parlamentarischer Geschäftsführer der Piratenfraktion, | |
| kritisiert diesen Vorschlag als unzureichend: Solange es nicht deutlich | |
| mehr Personal für das Lageso gebe, werde sich die Lage kaum entspannen. In | |
| einem Brief an den Tagesspiegel hatte der Personalrat des Lageso am | |
| Wochenende kritisiert, dass die Arbeit der Behörde nicht genug | |
| wertgeschätzt werde. Schuld an den Problemen sei der „aus den Fugen | |
| geratene Personalschlüssel“, nach dem das Amt Kürzungen von fast 20 Prozent | |
| der Mitarbeitern hatte hinnehmen müssen. Auf „Signalraketen in Richtung der | |
| politischen Ebene und der Medien“ habe es nur „überschaubare Reaktionen“ | |
| gegeben. | |
| Die Lage in der Turmstraße bleibt weiter angespannt: Die am Freitag neu | |
| eröffnete Notunterkunft in Karlshorst ist bereits fast voll. Für die | |
| meisten Menschen, die am Montag warten, fehlen Unterkünfte. „Meiner Meinung | |
| nach wäre es richtig, das Technische Hilfswerk einzuschalten und so eine | |
| Versorgung der Leute, auch mit Übernachtungsmöglichkeiten, | |
| sicherzustellen“, sagt Henniges. Sie ist aber skeptisch, dass die Behörde | |
| das Problem lösen wird: „Diese Bilder der Überforderung sind doch auch | |
| gewollt, damit man von einem Ansturm der Flüchtlinge sprechen kann, dem man | |
| angeblich nicht gewachsen ist“. | |
| 10 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Malene Gürgen | |
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