# taz.de -- Tempelberg in Jerusalem: Israels Polizei dringt in Moschee ein | |
> Muslime hatten sich bewaffnet und in der Al-Aksa-Moschee verschanzt. | |
> Auslöser der Straßenschlacht war der jüdische Fastentag Tischa beAv. | |
Bild: Heilige Stätte: Ein Mann liest den Koran in der al-Aksa-Moschee auf Jeru… | |
JERUSALEM taz | Bei den schwersten Unruhen seit letztem Herbst sind auf dem | |
Tempelberg (Haram al-Sharif) in Jerusalem mehrere Menschen verletzt worden. | |
Israelische Grenzpolizisten waren Sonntagfrüh in die Al-Aksa-Moschee | |
vorgedrungen, in der sich über Nacht einige Dutzend muslimische Jugendliche | |
verschanzt hatten. Nach Informationen der palästinensischen | |
Nachrichtenagentur Maan gingen die Soldaten mit Tränengas, gummiummantelten | |
Geschossen und Schockgranaten gegen die zum Teil vermummten Jugendlichen | |
vor, die sich mit Steinen und Feuerwerkskörpern bewaffnet hatten. Auslöser | |
der Straßenschlacht war der jüdische Fastentag Tischa beAv, an dem fromme | |
Juden der Zerstörung der beiden Tempel gedenken. | |
Tausende jüdische Gläubige versammelten sich an dem Fastentag, der als | |
traurigster Tag im jüdischen Kalender gilt, zum Gebet an der Klagemauer. | |
Nur einige hundert nationalreligiöse Juden zogen Richtung Tempelberg, der | |
für Juden und Muslime gleichermaßen heilig ist. Ein seit 1967 geltender | |
Status quo trennt offiziell die beiden Religionen voneinander. Muslime | |
beten in den beiden Moscheen al-Aksa und Felsendom oben auf dem „Haram | |
al-Scharif“, dem „edlen Heiligtum“, wie es im Arabischen heißt, Juden an | |
der Klagemauer unten. Die Verwaltung liegt in den Händen der Wakf, der | |
muslimischen Stiftung, und damit in letzter Instanz unter Kontrolle des | |
jordanischen Königshauses, die schon vor dem Sechstagekrieg über die | |
heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem wachte. | |
Juden dürfen zwar unter scharfer Kontrolle den Tempelberg besuchen, nicht | |
aber dort beten. Einige junge Juden trugen gestern demonstrativ die | |
Gebetsriemen und eine kleine Lederschachtel mit heiligen Texten an Armen | |
und Stirn und gerieten mit der Polizei in ein Handgemenge, als sie sich | |
weigerten, die Riemen abzulegen. Einer der Jugendlichen biss dabei einen | |
Grenzpolizisten in die Hand. | |
Aus Sorge vor Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen und | |
israelischen Zivilisten hielt die Polizei den Tempelberg zunächst für | |
gläubige Muslime unter 50 Jahren gesperrt und ließ nach dem muslimischen | |
Morgengebet bis zum Mittag nur noch Juden auf das Plateau. Seit Tagen schon | |
hatten radikale Juden die Atmosphäre angeheizt, indem sie ein Besuchsrecht | |
für die ganze Woche nach dem Fastentag forderten. Das erklärte Ziel des | |
„Tempelinstituts“, der „Studenten für den Tempelberg“ und anderer | |
extremistischer Gruppen ist ein grundsätzliches Besuchsrecht und | |
letztendlich die Errichtung eines dritten jüdischen Tempels. | |
Diese Forderung trifft bei den Palästinensern auf einen empfindlichen Nerv. | |
Präsident Mahmud Abbas machte Israel letztes Jahr den Vorwurf, einen | |
Religionskrieg zu führen, obschon Premier Benjamin Netanjahu mehrmals | |
versicherte, den Status quo nicht verändern zu wollen. Als glaubwürdiger | |
gelten bei den Palästinensern die Stimmen radikaler israelischer Politiker | |
wie Landwirtschaftsminister Uri Ariel, der gestern zum ersten Mal seit | |
November wieder auf das Plateau durfte. Europäische Diplomaten halten die | |
Lage heute für so gefährlich wie seit dem Ende der zweiten Intifada nicht | |
mehr. Grund dafür seien auch die Provokationen radikaler jüdischer Eiferer | |
auf dem Tempelberg. | |
26 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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