# taz.de -- Kurseinbruch an Chinas Börsen: Komplett-Crash bleibt aus | |
> Ein Kursrutsch am chinesischen Aktienmarkt schreckt Anleger auf. Zu einem | |
> Kollaps der Gesamtwirtschaft führt der Börsenkrach jedoch nicht. | |
Bild: Schlechte Laune: Anleger beobachten die Kurse an der Börse von Shanghai. | |
Peking taz | „China vor dem Kollaps“ – die Katastrophenmeldungen Anfang d… | |
Monats klangen alarmierend genug. Am Montag dann die nächste schlechte | |
Nachricht: Der chinesische Aktienmarkt erlebte seinen schwersten | |
Kurseinbruch seit acht Jahren, die Börse in Schanghai stürzte um 8,5 | |
Prozent ab. Doch in der Zwischenzeit hat sich das Ausmaß der Schäden für | |
die Wirtschaft gezeigt. Sie sind: vernachlässigbar. Auch für den Rest der | |
Welt halten sie sich in Grenzen. | |
Um über 30 Prozent seit dem Höchststand Mitte Juni sind die chinesischen | |
Aktienmärkte gefallen, nachdem sie zuvor in einer einjährigen Hausse um | |
mehr als 150 Prozent in die Höhe geschossen waren. | |
Dass ein Börsenkrach in China nicht wie etwa in den USA die gesamte | |
Wirtschaft gleich in den Abgrund reißt, hat zum einen damit zu tun, dass | |
die meisten Chinesen die heimischen Aktienmärkte nicht als langfristig | |
angelegte Anlagemöglichkeit betrachten, sondern mehr wie ein Kasino für das | |
schnelle Geld. Zum anderen hängt das mit dem nach wie vor weitgehend | |
abgeschotteten chinesischen Finanzsystem zusammen. | |
Zwar hat das Börsenfieber der vergangenen Monate sehr viele Chinesen | |
gepackt. Zahlen der Europäischen Handelskammer in Peking zufolge gab es bis | |
Mitte Juni landesweit insgesamt 175 Millionen Depots. Mit massenweisen | |
Privatinsolvenzen ist aber nicht zu rechnen. Denn Chinesen haben gerade | |
einmal rund 13 Prozent ihres Vermögens als eine Art „Spielgeld“ in Aktien | |
angelegt. Zum Vergleich: In den USA sind es 56 Prozent. | |
## Aktien als Altersvorsorge | |
Vor allem in den USA ist ein Börsencrash häufig gleichbedeutend mit einem | |
Zusammenbruch der Gesamtwirtschaft. Denn in den Vereinigten Staaten sind | |
Börsen für viele Firmen die zentrale Schaltstelle ihrer Finanzierung. Sehr | |
viel zu investierendes Kapital beziehen sie aus einem Börsengang und dem | |
Aktienhandel. Und wer fürs Alter vorsorgen will, sieht sich gezwungen, in | |
Wertpapiere an den Börsen zu investieren. Zumindest wer bei fallenden | |
Kursen von dieser Altersvorsorge abhängig ist, ist gestraft. | |
Auch die chinesische Führung strebt ein solches Finanzsystem an. Zumindest | |
der zurzeit amtierende Ministerpräsident Li Keqiang teilt die Auffassung | |
von Marktliberalen, wonach freie Finanzmärkte im Idealfall für effiziente | |
und wettbewerbsfähige Unternehmen sorgen. Das ist zwar in der Realität auch | |
in den USA und Europa häufig nicht der Fall. | |
China aber ist weit davon entfernt: Die meisten großen Unternehmen werden | |
nach wie vor vom Staat finanziell gepäppelt, sollten sie in Schwierigkeiten | |
geraten. Und auch den kompletten Zusammenbruch der Aktienmärkte weiß Peking | |
mit massiven Staatsmaßnahmen zu stoppen. So hatten sich die Kurse zwischen | |
dem massiven Sturz vor einem Monat und dem Kursrutsch am Montag etwas | |
erholt. | |
Dass die kommunistische Führung Anfang der 1990er Jahre überhaupt in | |
Schanghai Aktienmärkte zuließ, hing vor allem mit dem Gedanken zusammen: | |
Eine große Volkswirtschaft braucht auch eine Börse. Eine Bedeutung wie in | |
New York, London oder Frankfurt haben die chinesischen Aktienmärkte aber | |
nie erhalten. Bis vor Kurzem war der Schanghaier Aktienmarkt noch komplett | |
vom Rest der Welt abgeschottet. | |
## Schwer berechenbares Kasino | |
Mittlerweile hat die Regierung zwar eine Reihe von Kanälen geöffnet. | |
Ausländische Investoren können in Schanghai mit einer Sonderlizenz Aktien | |
erwerben – dazu gehören die meisten internationalen Großbanken. Zudem ist | |
es seit diesem Jahr möglich, über die Börse Hongkong Schanghaier Aktien zu | |
kaufen. Doch die Aktien sind weiterhin streng reguliert. | |
Internationale Anleger sind bislang vorsichtig geblieben und haben den | |
chinesischen Markt als das behandelt, was er ist: ein schwer berechenbares | |
Kasino. Die Lage ist nach der geplatzten Blase daher völlig anders als bei | |
der Subprime-Krise ab dem Sommer 2007. Damals sank der große Dampfer | |
Amerika, und alle waren an Bord. Das ist bei China nicht der Fall. | |
Was nun jedoch zu befürchten ist: dass Chinas angestrebte | |
Finanzmarktreformen auf der Strecke bleiben. Vor allem Staatsunternehmen | |
gelten als unrentabel und müssen vom Staat massiv bezuschusst werden. Das | |
reißt Löcher in den Staatshaushalt. Eine Liberalisierung der chinesischen | |
Kapitalmärkte sollte die Probleme beheben. Der Kursrutsch der vergangenen | |
Wochen dürfte diese Pläne vorerst gestoppt haben. | |
27 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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