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# taz.de -- Bürgerentscheid ohne Folgen: „Ein Bärendienst“
> Im September stimmen AltonaerInnen in einem Bürgerentscheid über die
> Bebauung des „Zeise 2“ ab. Zu entscheiden gibt es nichts. Macht das
> trotzdem Sinn?
Bild: Kann mal was nützen und mal nicht: Abstimmen im Bezirksamt.
taz: Herr Schnapp, bei der Bebauung von „Zeise 2“ haben die Bürger nichts
mehr zu entscheiden. Trotzdem lässt man sie abstimmen. Gaukelt man ihnen
was vor?
Kai-Uwe Schnapp: Das kommt darauf an, wie bewusst das den Leuten ist, die
daran teilnehmen. Aber das Interessante ist vor allem: Wer gaukelt wem was
vor? Meistens wirft man der politischen Elite vor, dass sie den Leuten
Beteiligung vorgaukelt. Im Zweifel wirft man es Olaf Scholz vor, Alexis
Tsipras müsste man es im Moment wohl auch vorwerfen. In Ottensen ist es
eine sehr schräge Situation: Leute, die etwas gegen ein von der Politik und
Verwaltung angeschobenes Projekt haben, instrumentalisieren den
Bürgerentscheid für einen Zweck, für den er eigentlich nicht gemacht ist.
Wofür ist er gedacht und wozu wird er hier genutzt?
Er ist als Mitbestimmungsinstrument gedacht und wird hier als
Protestinstrument genutzt.
Wem schadet das?
Dem Instrument Volksentscheid. Und zwar auf beiden Seiten: Gegner bekommen
so das Argument in die Hand: „Die wollen das doch nur als politisches
Spielzeug benutzen“, und für die Befürworter ist es so, dass man dem
Instrument nächstes Mal nicht mehr trauen kann, weil man nicht mehr weiß,
ob es ernst gemeint ist oder ob es um etwas anderes geht.
Führt so etwas zu Politikverdrossenheit?
Ob es unmittelbar zu Frustration führt, ist schwer zu sagen. Aber dem
Instrument, das in Hamburg sehr gut genutzt werden kann, weil die Hürden
niedrig sind, erweisen die Initiatoren einen Bärendienst. Denn sie wenden
es in einer Situation an, in der es eigentlich nichts bewirken kann. Für so
eine Situation muss man auf andere Verfahren der Beteiligung oder des
Sich-Gehör-Verschaffens zurückgreifen als auf ein Instrument, das genau
diesen Zweck nicht hat.
Sind Bürgerentscheide grundsätzlich immer etwas Gutes?
Dass es die Möglichkeit gibt, ist etwas Gutes. Es ist schon ein
feinfühliges Instrument – man lernt, was die Bürger interessiert und wo sie
sagen „Lass mich damit in Ruhe.“ Wenn ein Anliegen scheitert, hat sich
gezeigt: Okay, hier ist keine ernsthafte politische Masse vorhanden, um das
Anliegen zu thematisieren. Ein paar Leute, die sich für etwas
interessieren, gibt es immer. Letztlich muss in einer Demokratie aber mit
Mehrheiten entschieden werden.
Und wenn dabei etwas herauskommt, das für die Mehrheit negative Folgen hat?
Wie zum Beispiel „Wir wollen lernen“, der Bürgerentscheid der Eltern gegen
die Schulreform 2010? Wenn eine ressourcen- und meinungsstarke Gruppe das
Verfahren kapert und damit Erfolg hat gegen die Mehrheit einer Bevölkerung,
die nicht interessiert oder informiert genug ist, um dagegenzuhalten – dann
muss man dafür sorgen, dass die Gruppe derer, die dagegen ist, so laut
wird, dass eine Entscheidung getroffen wird, die besser für die Mehrheit
ist. Wenn das dann nicht klappt, ist das etwas, was in einer Demokratie
passieren kann. Nach dem alten Spruch: Demokratie bevorteiligt den Aktiven.
Das Problem an diesem lapidaren Satz ist nur, dass das Aktiv-Sein-Können
sozial ungleich verteilt ist.
NaN NaN
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Bürgerentscheid
Bürgerbegehren
Mehr Demokratie
Bürgerbeteiligung
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Altona
Ottensen
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