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# taz.de -- Rechtsanwälte von Hartz-IV-Empfängern: Gut verteidigt, trotzdem p…
> Manche Jobcenter zahlen Anwälten von Arbeitslosen kein Honorar mehr,
> sondern verrechnen es mit deren Schulden. Anwaltskammer sieht Schutz von
> Armen in Gefahr.
Bild: Immer für eine unliebsame Überraschung gut: das Jobcenter.
Es besteht kein Zweifel, dass Aglaja Nollmann ihre Arbeit gut gemacht hat.
Das Jobcenter war der Ansicht, dass ihr Mandant zu viel Geld ausgezahlt
bekommen habe, und verlangte es zurück. Die Anwältin für Sozialrecht legte
Widerspruch ein – und bekam recht. Trotzdem erhält sie für ihre Leistung
nun kein Honorar. Rund 800 Euro, die ihr das Jobcenter hätte erstatten
sollen, seien mit den Schulden ihres Mandanten verrechnet worden, erzählt
sie. Das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg habe dieses Honorar zwar
anerkannt. „Es hat mir aber auch geschrieben, dass ich dieses Geld nicht
kriege.“
Andere SozialrechtsanwältInnen machen ähnliche Erfahrungen. Das ist kein
Zufall: In einem Praxishandbuch der Bundesagentur für Arbeit wird darauf
hingewiesen, dass nicht der Anwalt, sondern der Kläger – also der
Arbeitslose – Anspruch auf Kostenerstattung habe. Und weiter: „Vor jeder
Auszahlung von zu erstattenden Kosten (…) ist zu prüfen, ob gegen den
Kostengläubiger Forderungen seitens des Jobcenters bestehen, die
aufgerechnet werden können.“ Im Klartext heißt das: Wenn Arbeitslose dem
Jobcenter Geld schulden, ist es gewünscht, dass das Anwaltshonorar mit
diesen Schulden verrechnet wird. Die Anwälte gehen dann leer aus.
Das hat auch Folgen für die Menschen, die sie vertreten. „Wenn man seine
Kosten nicht reinbekommt, kann es für Arbeitslose schwierig werden, einen
Anwalt zu finden“, warnt Lara Heitmann, Sozialrechtsanwältin in Neukölln.
Auch sie bekam in zwei Fällen das Honorar wegen der Schulden ihrer
Mandanten nicht ausgezahlt. Viele Jobcenter erstatteten die Gelder nach wie
vor, so ihre Erfahrung. Doch gerade in Friedrichshain-Kreuzberg häuften
sich die Probleme. Von KollegInnen habe sie zudem von Fällen in Pankow und
Spandau gehört.
„Für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wird es immer schwerer, den sozial
Schwachen einen wirkungsvollen Zugang zum Recht zu gewährleisten“,
kritisiert Marcus Mollnau, Präsident der Rechtsanwaltskammer Berlin,
gegenüber der taz. Stattdessen würden sie für ihr Mitwirken an der
Erteilung rechtmäßiger Bescheide „bestraft“. Seine Kammer setze sich daf�…
ein, „die gesetzlichen Regelungen zu ändern und ein Aufrechnungsverbot zu
verankern“.
Bei der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg reagiert man gelassen auf die
Vorwürfe. Das Verfahren werde bundesweit angewendet, so Jobcentersprecher
Andreas Ebeling. Er betont, dass „die Jobcenter nach geltendem Recht“
handelten.
Das will Aglaja Nollmann so nicht hinnehmen. „Ich kann mir nicht leisten,
umsonst zu arbeiten“, sagt sie. Im Sozialrecht verdienten Anwälte sowieso
nicht gut. Für kleinere Kanzleien sei das „existenzbedrohend“. Weil
Nollmann das Vorgehen der Jobcenter für verfassungswidrig hält, hat sie
beim Sozialgericht Klage eingereicht. „Mein Mandant wird auf meine Kosten
entschuldet, das kann nicht sein.“
27 Jul 2015
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Jobcenter
Rechtsanwalt
Hartz IV
Hartz IV
Arbeitslosigkeit
Schwerpunkt Armut
Agentur für Arbeit
Flüchtlinge
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