# taz.de -- Regierung in Japan: „Staatsstreich“ gegen den Pazifismus | |
> Die konservativen Regierungsparteien hebeln die pazifistische Verfassung | |
> des Landes weiter aus. Die Debatte darüber wird emotional geführt. | |
Bild: Die Opposition protestiert gegen die Pläne der Regierung – doch durch… | |
Tokio taz | Japans Streitkräfte erhalten mehr Spielraum für militärische | |
Einsätze, obwohl die Verfassung das Recht auf Kriegsführung untersagt. Nach | |
über 117 Stunden Debatte im Verlauf mehrerer Monate beschloss ein | |
Sonderausschuss im Parlament ein entsprechendes Paket von | |
Sicherheitsgesetzen. Schon am Donnerstag passierten die Gesetze das | |
Unterhaus, in dem die konservativen Regierungsparteien eine | |
Zweidrittelmehrheit haben. | |
Künftig können die Streitkräfte gemeinsam mit ihrem Bündnispartner USA und | |
anderen Ländern kämpfen, falls „die Existenz von Japan stark bedroht“ ist. | |
Auch dürfen japanische Soldaten dann an UN-Friedensmissionen teilnehmen, | |
aber nicht mit Kampftruppen. | |
Insgesamt hat Premierminister ShinzōAbe weniger Änderungen durchgesetzt als | |
erwartet. Aber sie bedeuten den Abschied vom Pazifismus der Nachkriegszeit. | |
Die Debatte in Japan wird daher sehr emotional geführt: Abgeordnete der | |
Opposition störten die Abstimmung mit Zwischenrufen und hielten Plakate mit | |
Aufschriften wie „Abes Politik ist unverzeihlich“ hoch. Ein Parlamentarier | |
sprach von einem „historischen Verbrechen“. Zuvor hatten Zehntausende gegen | |
die Änderungen demonstriert. | |
Bereits vor einem Jahr hatte Abes Kabinett den Pazifismusartikel 9 neu | |
ausgelegt. Anders als bis dahin angenommen habe Japan das Recht auf | |
kollektive Selbstverteidigung, beschloss das Kabinett. So wollte Abe eine | |
Verfassungsänderung mit vorgeschriebener Volksabstimmung umgehen, weil die | |
öffentliche Meinung dabei gegen ihn ist. Bei der jüngsten Umfrage des | |
größten Senders n-tv lehnten 59 Prozent der Befragten die | |
Sicherheitsgesetze ab. Nur 24 Prozent waren dafür. | |
Auch die Zustimmung für Abe sank auf den tiefsten Punkt seiner Amtszeit. | |
„Wir haben noch kein Verständnis der Öffentlichkeit für unser Anliegen | |
erreicht“, räumte Regierungspolitiker Shigeru Ishiba ein. | |
Vor allem Verfassungsexperten urteilen negativ. „98 Prozent von ihnen | |
halten die Gesetze für verfassungswidrig“, meinte Yasuo Hasebe von der | |
Universität Waseda. Kenji Ishikawa von der Universität Tokio sprach von | |
einem „Staatsstreich“. Der bekannte Filmregisseur und Pazifist Hayao | |
Miyazaki formulierte das Gefühl der schweigenden Mehrheit: „Abe will die | |
militärische Macht von China mit militärischer Macht unterdrücken, aber das | |
ist unmöglich.“ | |
Tatsächlich geht es Abe darum, zusammen mit den USA ein Gegengewicht zur | |
künftigen Vormacht China in Asien zu bilden. Im Gegenzug erhofft er sich | |
die militärische Unterstützung der USA, falls China Inseln besetzen sollte, | |
die auch Japan beansprucht. | |
In der öffentlichen Debatte vermied Abe allerdings jede direkte Nennung von | |
China als Gegner, um die Beziehungen zum Nachbarn nicht weiter zu | |
verschlechtern. Doch seine eigenen Parteigenossen machten ihm einen Strich | |
durch die Rechnung: Kürzlich blockierten sie die Veröffentlichung des | |
jährlichen Weißbuchs für Verteidigung. Chinas Hegemoniestreben müsse darin | |
deutlicher herausgestellt werden. | |
16 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
## TAGS | |
Japan | |
Militär | |
Pazifismus | |
Asien | |
Japan | |
Protestbewegung | |
Japan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Regierungsumbildung in Japan: Eine Provokation für die Nachbarn | |
Die ultrakonservative Politikerin Tomomi Inada wird neue | |
Verteidigungsministerin. Ihre Ernennung brüskiert Südkorea und China. | |
Protest in Tokio: Zehntausende gegen Militär-Gesetze | |
Japan will sein Militär stärken und dessen Einsätze ausweiten. Gegen das | |
geplante Gesetz sind mehrere Tausend Menschen auf die Straße gegangen. | |
Streit um Industriedenkmäler: Tokio verschweigt Zwangsarbeit | |
Japan will Fabriken zum Weltkulturerbe erklären lassen – ohne den Hinweis, | |
dass dort Zwangsarbeit verrichtet wurde. Südkorea wehrt sich dagegen. |