| # taz.de -- Energiewende in den USA: Gas oder gar nicht | |
| > Die USA machen Ernst mit der Energiewende, die Bilanz wird grüner. Aber | |
| > Ökologie ist nicht das entscheidende Argument. Es geht um das Big | |
| > Business. | |
| Bild: Am Tehachapi-Pass liegt einer der größten Windparks der Erde. | |
| Vor der Klimakonferenz in Paris im Dezember werfen wir einen Blick auf die | |
| Protagonisten. Barack Obama will sich als Klima-Vorkämpfer profilieren. Wie | |
| steht es um die Energiewende in den USA? Unser Autor war im Juli 2015 vor | |
| Ort. | |
| Kalifornien/Texas/Washington taz | Fred Starrh lässt sich ächzend in den | |
| Sessel fallen. „Noch so ein Jahr, und ich weiß nicht, wie es weitergehen | |
| soll.“ Der 86-Jährige greift zu einer Tüte Salzmandeln. An der Wand des | |
| Besucherzimmers hängen Fotos, eine ganze Galerie, die den Farmer beim | |
| Handshake mit Gouverneuren, Kongressabgeordneten und George W. Bush zeigen, | |
| als der noch US-Präsident war. | |
| Vor dem Fenster breiten sich seine 3.600 Hektar aus, zwischen | |
| schnurgeraden, staubigen Straßen stehen Mandelbäume, auf der einen Seite | |
| grün, auf der anderen Seite grau und abgestorben. Hier im kalifornischen | |
| Central Valley wachsen die meisten Mandeln für den Weltmarkt. Oder eben | |
| nicht. Denn die Trockenheit im Südwesten der USA setzt Starrh und seinen | |
| Kollegen seit Jahren zu. | |
| „In diesem Jahr haben wir nur fünf Prozent des Wassers bekommen, für das | |
| wir bezahlt haben“, sagt der massige Mann mit der Basecap und dem | |
| schleppenden Akzent. Auf einer Fläche von 80 Fußballfeldern lässt er in | |
| diesem Jahr die Mandelbäume verdursten. „Es tut mir in der Seele weh.“ | |
| Starrh sitzt auf dem Trockenen. Da helfen auch die guten Kontakte in die | |
| Politik nicht. Dabei hat der demokratische Gouverneur von Kalifornien, | |
| Jerry Brown, die Farmer bei seinen drastischen Plänen zum Wassersparen | |
| sogar extra ausgenommen. Im Frühjahr ordnete er an, dass alle anderen | |
| Betriebe, öffentliche Einrichtungen und Haushalte 25 Prozent Wasser sparen | |
| müssen. Für Brown ist die lange und schwere Dürre ein Zeichen für den | |
| Klimawandel. „Wir leben inzwischen in einer anderen Welt“, erklärte der | |
| Gouverneur, „wir müssen anders handeln.“ | |
| ## Energiewende in vollem Gange | |
| Wie, das kann man zwei Autostunden südöstlich von Fred Starrhs Farm | |
| besichtigen: Fast 5.000 Rotoren drehen sich im größten Windpark der Erde am | |
| Tehachapi-Pass. Die staubigen, fast vegetationsfreien Berghänge sind mit | |
| riesigen weißen Masten überzogen, im wischenden Schatten der Rotoren grast | |
| eine Herde wilder Mustangs. Bei voller Leistung wird von hier Energie wie | |
| aus fünf Atomkraftwerken in die Klimaanlagen von Los Angeles geschickt. | |
| Jede einzelne Anlage produziert 50-mal mehr Strom als ihre Vorgänger vor 30 | |
| Jahren. Am Horizont verschwimmt im Dunst die Edwards Air Force Base. Früher | |
| landete hier das Spaceshuttle. Was damals Science-Fiction war, ist heute | |
| alltäglicher Hightech. | |
| Auch in den USA ist die Energiewende in vollem Gange. Allerdings ganz | |
| anders als in Deutschland. Im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zählen | |
| Fortschritt der Technik, Profite im XXL-Maßstab, Unabhängigkeit und erst | |
| dann irgendwie Klimaschutz. Der Konsens für Milliardensubventionen, die | |
| auch in den USA über Quoten und Steuergeschenke gezahlt werden, ist weniger | |
| die Rettung der Welt, sondern mehr die Chance auf gute Geschäfte. Während | |
| in Europa Umweltschützer verzweifelt gegen die Kohle kämpfen, verliert | |
| dieser Klimakiller in den USA von allein an Bedeutung. | |
| „Climate Change“ ist in den USA immer noch ein Reizwort für Konservative, | |
| obwohl die Auswirkungen des Klimawandels hier viel deutlicher spürbar sind | |
| als in Europa. Dürre, Überschwemmungen und Stürme: „Dieses Muster sehen wir | |
| alle paar Jahre“, brummt Fred Starrh vor sich hin. Auch wenn er in 65 | |
| Jahren auf seiner Farm solch einen Wassermangel noch nicht erlebt hat. | |
| Auch Kip Averitt ist vom Klimawandel nicht überzeugt. „Unsere Kühe sind | |
| wahrscheinlich ein größeres Problem als unsere Autos“, sagt der Mann im | |
| Businessanzug mit dem breiten Grinsen und der Halbglatze. Er sitzt in der | |
| texanischen Hauptstadt Austin in einem alternativen Café und beißt auf den | |
| Eiswürfeln aus seinem Glas herum. Seine Ansicht würde ihn in Deutschland | |
| wohl den Job kosten: Der Republikaner ist Chef der „Texas Clean Energy | |
| Coalition“, der mächtigen Lobby für Gas, Wind, Solar und Effizienz. Aber | |
| hier ist das kein Problem. In Texas sind die Erneuerbaren längst zum Big | |
| Business geworden. | |
| Der „Energiestaat“, der jeden Tag Öl und Gas für 150 Millionen Dollar aus | |
| seinem Boden presst, ist mit 14 Gigawatt Windkraft einsame Spitze in den | |
| USA (Deutschland hat 38 Gigawatt). Solaranlagen wachsen aus dem Boden. | |
| Gerade wurde wieder eine riesige Stromtrasse durchs Land gezogen. Und | |
| Austin – so etwas wie das texanische Freiburg – will bis 2050 klimaneutral | |
| sein. Die Umweltschützer in Kalifornien? Averitt winkt ab: Viel Gerede, | |
| nichts dahinter: „Wir machen das besser, weil wir damit eine Menge Geld | |
| verdienen.“ Und auch wenn der Klimawandel für ihn kein echter Grund zur | |
| Sorge ist: „Irgendjemand wird stinkend reich werden, wenn er eine Lösung | |
| für all das CO2 findet.“ | |
| ## Gasland hat seine eigenen Gesetze | |
| Der Run auf den neuen Markt ist längst am Laufen. Die USA halten zwar immer | |
| noch und zu Recht in der Energie- und Klimapolitik den schwarzen Peter: | |
| Kein Kioto-Protokoll, ein miserabler ökologischer Fußabdruck, ein | |
| schlechtes Vorbild bei Stadtplanung, Autoverkehr und Verschwendung von | |
| Rohstoffen. Aber die Bilanz wird grüner: Seit 2005 sind die Klimaemissionen | |
| um fast 10 Prozent gesunken, der Spritverbrauch der Autos bewegt sich | |
| Richtung EU-Durchschnitt. | |
| Das Land ist nach China der weltweit zweitgrößte Markt für erneuerbare | |
| Energien und hat 90 Milliarden Dollar ausgegeben, um mit grünem Wachstum | |
| die Wirtschaftskrise zu bekämpfen. Die Obama-Administration investiert | |
| inzwischen viel politisches Kapital in die UN-Klimaverhandlungen und hat | |
| dafür einen bemerkenswerten Deal mit China geschlossen. Und vor allem: | |
| Obamas Umweltbehörde EPA hat einen „Clean Power Plan“ entworfen, nach dem | |
| alte Kohlekraftwerke reihenweise vom Netz müssen. Im Sommer sollen die | |
| Details veröffentlicht werden. Und anders als Sigmar Gabriels | |
| Wirtschaftsministerium bei der „Klimaabgabe“ wird die EPA vor der | |
| Kohlelobby nicht den Schwanz einziehen. | |
| So viel Mut hat einen Grund: das umstrittene „Fracking“. Aus Tausenden von | |
| neuen Quellen sprudeln seit einigen Jahren Gas und Öl. Mit einer Mischung | |
| aus Sand, Wasser und Chemikalien werden die Rohstoffe aus dem Gestein | |
| gepresst. Die neuen Energiequellen senken die Preise für Benzin und Strom, | |
| befeuern die Industrie und machen die USA wieder zu einem der wichtigsten | |
| Spieler im internationalen Energiegeschäft. „Ein Geschenk Gottes“ nennen | |
| Ökonomen den Boom. Das „Schiefergas“ hat nicht nur der Brieftasche, sondern | |
| durch die Auferstehung aus Immobilien- und Wirtschaftskrise auch der | |
| amerikanischen Psyche sehr gutgetan. | |
| Der Erfolg hat auch eine dreckige Seite. Denton, eine Kleinstadt eine | |
| Stunde nördlich von Dallas, ist der Schauplatz des verzweifelten Kampfs | |
| einer Kommune gegen das Fracking auf ihrem Boden. An der North Bonnie Brae | |
| Street stehen drei unscheinbare grüne Tanks, etwa drei Meter hoch und | |
| umgeben von einem Gewirr aus Rohren, Armaturen und Maschendraht. Die Sonne | |
| scheint warm, im Park auf der anderen Straßenseite spielen Kinder auf der | |
| großen blauen Rutsche. Unbemerkt wird hier Gas aus dem Boden gepumpt. Mit | |
| dieser Idylle war es früher oft vorbei, immer wenn „gefrackt“ wurde, damit | |
| an einem Bohrloch neues Gas fließt. | |
| ## Fracking statt Freiheit | |
| „Da stand hier ein zwanzig Meter hoher Bohrturm mit einer riesigen | |
| Gasfackel, die Trucks fuhren zu allen Zeiten durch die Nachbarschaft, | |
| überall Lärm, stinkendes Gas und Lichter mitten in der Nacht, der Boden | |
| bebte“, sagt Cathy McCullen. Die Krankenschwester war Anführerin einer | |
| kleinen Rebellion: Im November 2014 verbot Denton als erste US-Stadt durch | |
| eine Volksabstimmung das Fracking im Stadtgebiet. „Die Leute hatten einfach | |
| die Nase voll, dass die Gasfirmen ihnen bei Beschwerden sagten: ‚Bleiben | |
| Sie für diese Zeit einfach im Haus‘ “, empört sich McMullen. | |
| Die Bürger von Denton sind nicht grundsätzlich gegen das Fracking. „Aber | |
| doch nicht in unseren Vorgärten!“ Doch genau da wird es weitergehen. Nach | |
| Klage der Industrie kippte der Gouverneur von Texas das Verbot mit einer | |
| eigenen Verordnung. „House Bill 40“ macht eindeutig klar: Die | |
| „Mineralienrechte“ stehen über den „Oberflächenrechten“ – selbst we… | |
| Grundstück kauft, muss zulassen, dass jemand anderes in seinem Boden nach | |
| Bodenschätzen sucht. Da hilft auch die „Homerule“ nicht mehr. Traditionell | |
| haben Städte in Texas große Selbstverwaltungsrechte. Fracking statt | |
| Freiheit: Gasland hat seine eigenen Gesetze. Dafür gab es im Parlament eine | |
| Zweidrittelmehrheit. | |
| ## Obamas unkonventioneller Krieg | |
| Auf der anderen Seite sorgt das Gas für eine grünere Zukunft: Es drückt die | |
| dreckige Kohle aus dem Markt. „Schon jetzt steht ein Viertel aller | |
| Kohlekraftwerke vor der Schließung“, sagt John Coequyt, Energieexperte des | |
| mächtigsten US-Umweltverbands Sierra Club in Washington. „Und in zehn | |
| Jahren könnte die Hälfte aller Kohlekraftwerke außer Betrieb sein.“ | |
| Coequyts Büro liegt im Osten Washingtons, zehn Minuten Fußweg zu den Büros | |
| der Abgeordneten. Aber der Weg auf das Kapitol lohnt sich kaum. Das macht | |
| ein Besuch im Büro der Republikanerin Lisa Murkowski deutlich. Die | |
| Senatorin aus Alaska ist Vorsitzende des einflussreichen | |
| Energie-Ausschusses, sieht den Klimawandel durchaus als Problem, empört | |
| sich aber über den „Clean Power Plan“ der EPA: „Die Umweltbehörde hat n… | |
| das Recht, ihre Zuständigkeit soweit auszudehnen.“ | |
| Sie müsse an ihre Wähler denken. „Ich werde für nichts stimmen, was Energie | |
| in Alaska teurer macht, wo es ohnehin die höchsten Preise gibt.“ Zwei Dinge | |
| sind bei republikanischen Wählern unpopulär, heißt es: Höhere Energiepreise | |
| und jede Art der Einmischung aus Washington. Aber beides bräuchte es für | |
| echten Klimaschutz. | |
| Die Büros von Murkowskis Leuten im dritten Stock des „Dirksen Buildings“ | |
| sind mit dunkler Eiche getäfelt und mit Büchern vollgestopft, an der Wand | |
| verkündet stolz ein grün leuchtender Monitor, dass im Gebäude jeden Monat | |
| 700 Tonnen Kohlendioxid und 73.000 Dollar gespart wurden, seit die | |
| Beleuchtung auf LED-Lampen umgestellt ist. | |
| ## Die Mission ist hoch brisant | |
| Das war es dann aber auch mit dem Klimaschutz im Senat. Einen Kompromiss | |
| mit Barack Obama jedenfalls wird es im Parlament, das die Republikaner | |
| beherrschen, nicht geben. US-weite Quoten für erneuerbare Energien | |
| scheitern hier genauso wie ein bundesweiter Emissionshandel oder ein | |
| internationales Klimaabkommen. | |
| Dem US-Präsidenten sind eigentlich die Hände gebunden. Aber er hat zwei | |
| Trümpfe: Ein Urteil des obersten Gerichtshofs von 2007, das die EPA | |
| verpflichtet, auch das Klimagas CO2 zu regulieren. Auf dieser Basis haben | |
| seine Fachleute den „Clean Power Plan“ geschneidert. Und engagierte | |
| Umweltbeamte wie die junge Frau, die sich nur für einen schnellen | |
| Cappuccino in einem anonymen Starbucks zwischen Weißem Haus und | |
| Außenministerium treffen lässt. | |
| Keine Namen, keine offiziellen Statements, denn ihre Mission ist hoch | |
| brisant. Zusammen mit einer Truppe verschworener Bürokraten webt sie den | |
| Plan für eine saubere Energieversorgung tief in die Gesetze und | |
| Verordnungen der Regierungsmaschinerie ein. Die Augen der jungen Frau | |
| strahlen: „Wir verankern diese neuen Anforderungen so tief in den Behörden, | |
| dass es kein Zurück mehr gibt. Auch nicht mit dem nächsten Präsidenten.“ | |
| Das Parlament legt die Regierung lahm, die antwortet mit einem | |
| Guerillakrieg in der Verwaltung. | |
| Der „Clean Power Plan“ zwingt die 50 Bundesstaaten zum Klimaschutz: Sie | |
| müssen ihre Kohlendioxidemissionen reduzieren, egal wie: Durch mehr Wind | |
| und Sonne, durch Emissionshandel oder durch die Stilllegung von | |
| Kohlekraftwerken. Manche Staaten und viele Republikaner (und auch | |
| Demokraten aus Kohlestaaten) schäumen vor Wut und bereiten Klagen vor. Aber | |
| die Regeln sind kunstvoll verschraubt mit dem „Gesetz über saubere Luft“ | |
| des konservativen Präsidenten Richard Nixon von 1970. Immer mehr Wähler | |
| unterstützen in Umfragen diesen Kurs. Auch ein Klimaabkommen bei der | |
| UN-Konferenz in Paris will Präsident Obama als „executive agreement“ am | |
| Kongress vorbei abschließen. | |
| ## Die Zentralgewalt gefesselt | |
| Es ist fast wie bei der Energiepolitik der Europäischen Union: die | |
| Zentralgewalt gefesselt, die Mitgliedstaaten mit ganz eigenen Interessen: | |
| Manche haben liberalisierte Energiemärkte, andere Monopole, manche sind | |
| völlig von der Kohle abhängig, andere bauen die Atomkraft aus oder setzen | |
| auf erneuerbare Energien. Die meisten hoffen aufs Fracking. | |
| Das Schlachtfeld dieser Energiewende ist kunterbunt. So zumindest zeigt es | |
| eine große Karte der USA, die in San Francisco im Büro von Curtis Seymour | |
| hängt. Seymour ist Programmdirektor der „Energy Foundation“, einer | |
| unabhängigen Stiftung, die für die Energiewende in den USA eintritt. In | |
| seinen Büroräumen mitten in der hektischen Downtown von San Francisco | |
| werben witzige Poster für Energie aus Wind und Sonne. | |
| Die Landkarte an Seymours Wand zeigt allerdings ein anderes Amerika: Hier | |
| sind mit Farben und Symbolen die US-Staaten markiert, die sich gegen den | |
| Siegeszug der erneuerbaren Energien wehren. Es sind so viele, vor allem im | |
| Osten und Süden der USA, dass Seymour nicht möchte, dass die Karte | |
| fotografiert wird. Während die Kohlekraftwerke verschwinden, ist nun der | |
| Kampf über die Zukunftsmärkte voll entbrannt: Gas oder Erneuerbare? | |
| Erst einmal spricht alles fürs Gas: billig, bekannt, relativ sauber und in | |
| bestehenden Kraftwerken zu verfeuern. „Sicher werden viele Staaten diesen | |
| Weg gehen“, ist der Experte realistisch. „Aber wir sagen den Staaten: Wie | |
| lange wird das Gas billig bleiben? Und außerdem: Um unsere Klimaziele zu | |
| erreichen, müssen wir bis 2050 den Strom praktisch ohne fossile Rohstoffe | |
| erzeugen.“ | |
| Umso drängender ist der Ausbau der Erneuerbaren: Kaliforniens Gouverneur | |
| Jerry Brown hat gerade das Ziel ausgegeben, bis 2030 die Hälfte des Stroms | |
| grün zu erzeugen – der Windpark am Tehachapi-Pass ist ein Schritt dazu. | |
| Aber auch Texas genauso wie New York, Hawaii und Minnesota machen große | |
| Fortschritte. Befeuert wird der Boom von billigen Anlagen, von Quotenregeln | |
| der einzelnen Staaten und von je nach politischer Konjunktur stark | |
| schwankenden Steuerhilfen der Bundesregierung. | |
| ## Die Entdeckung der Sonne | |
| The American Way of Energiewende bedroht aber die Pfründe der | |
| Energiekonzerne. Mit dem Ausbau der großen Wind- und Solarkraftwerke können | |
| sie noch gutes Geld verdienen. Aber „distributed generation“, die billigen | |
| Solaranlagen auf den Eigenheimen, treibt die Konzerne in eine | |
| „Todesspirale“, klagt ihr Lobbyverein: Solarstrom macht Abnehmer | |
| unabhängig, das treibt die Kosten der Unternehmen nach oben. | |
| Aber wenn sie die Preise erhöhen, vergraulen sie noch mehr Kunden. „Es gäbe | |
| den Ausweg für die Konzerne, mehr in Effizienz und Dienstleistungen zu | |
| investieren“, sagt Seymour. „Aber dazu sind die meisten nicht bereit.“ | |
| Lieber versuchen sie, die dezentrale Stromerzeugung über hohe Strafgebühren | |
| zu ersticken. Seymours Karte zeigt deutlich, dass die Konzerne in vielen | |
| Staaten diesen Weg wählen – oft in „Sonnenscheinstaaten“ wie Florida, | |
| Georgia oder Arizona. | |
| Ob und wie die US-Energiewende dem Klima nutzt, ist noch eine andere Frage. | |
| Der Umstieg von Kohle auf Gas bringt nur dann eine Verbesserung, wenn aus | |
| den Bohrlöchern und Pipelines kaum Gas in die Luft austritt. Denn Methan, | |
| aus dem Erdgas hauptsächlich besteht, ist ein etwa 20-mal so wirksamer | |
| Klimakiller als CO2. Ob das funktioniert, darüber streiten die Experten. | |
| Und auf jeden Fall geht das bisher alles noch viel zu langsam. Nach Zahlen | |
| der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers müsste die Energiewende in | |
| den USA mindestens zwei- bis dreimal so schnell gehen, um den Klimawandel | |
| im Griff zu behalten. | |
| Eric Westerlund jedenfalls blickt mit Sorge aus den hohen Fenstern des | |
| Besucherzentrums im Yosemite-Nationalpark. Vier Autostunden östlich von San | |
| Francisco macht der Ranger mit den blonden Locken und der Hornbrille an | |
| diesem Samstagmorgen den beiden kleinen Jungs vor ihm Lust auf eine | |
| Klettertour, den Eltern schärft er ein, die Bären ernst zu nehmen. Auf die | |
| Zukunft und die Dürre in Kalifornien angesprochen, wird der Mann in der | |
| grünen Uniform allerdings schnell ernst. „Seit vier Jahren haben wir | |
| praktisch keinen Regen im Park“, sagt er. „Auf den Bergen liegen zwei | |
| Prozent der üblichen Schneedecke. Die Hälfte der Flüsse sind trocken. | |
| Unsere Bäume sterben.“ Westerlund zeigt auf der Karte des Parks auf das | |
| Symbol einer Kapelle: „Sie können ja am Sonntag für Regen beten.“ Er meint | |
| das nur halb im Scherz. | |
| Auch dem alten Farmer Fred Starrh in Shafter ist nicht nach Witzen zumute. | |
| Von 25 Millionen Dollar Umsatz seiner Farm zahlt er allein 10 Millionen für | |
| Wasser. „Wir versuchen zu überleben. Wir müssen uns anpassen.“ 180 Hektar | |
| hat er jetzt auf 20 Jahre vermietet. An eine Solaranlage. | |
| Diese Recherche wurde ermöglicht durch ein Stipendium des American Council | |
| on Germany. | |
| 24 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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