# taz.de -- Kommentar Atom-Deal aus Sicht Israels: Neuer Naher Osten | |
> In Israel herrscht Konsens: Der Deal mit den Mullahs ist abzulehnen. Aber | |
> deswegen Krieg führen will derzeit niemand. | |
Bild: Israels Alternative sei nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein and… | |
So recht überzeugen mag die israelische Kritik an dem diese Woche auf den | |
Weg gebrachten Iran-Abkommen nicht. | |
Teheran könne die Vereinbarungen hintergehen, heißt es über den „Meister | |
des Betrugs“, doch um welchen Preis? Dass der Iran in absehbarer Zeit neue | |
Sanktionen riskiert, ist mehr als unwahrscheinlich. Zehn Jahre Ruhe an der | |
iranischen Atomfront sind erreicht. Das sind einmal gute Nachrichten aus | |
Vorderasien. Ein Präventivschlag der israelischen Armee hätte weniger | |
gebracht. | |
„Aber nein“, konterte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf US-Präside… | |
Barack Obamas Rede zum Abschluss der Verhandlungen: Israels Alternative sei | |
nicht zwingend ein Krieg gewesen, sondern ein anderes Abkommen. | |
„Die Erleichterung der Sanktionen“, so Netanjahu, hätte „an ein verände… | |
Verhalten des Iran geknüpft“ werden sollen. Jerusalem ging es nie nur um | |
die Atombombe. Die Abkehr vom Terror hätte im Abkommen stehen müssen und | |
die Anerkennung Israels durch den Iran. | |
## Typisch Netanjahus Stil | |
Das klingt typisch nach Netanjahus Stil, einem anderen Staat die Politik | |
diktieren zu wollen – aber wäre ein kleiner Absatz, eine kurze Erklärung, | |
dass der Kampf gegen Israel nicht länger zur iranischen Außenpolitik | |
gehört, wirklich zu viel verlangt gewesen? | |
Darauf wenigstens hätte der Verbündete im Weißen Haus trotz aller | |
Verstimmung beharren müssen, wenn er Israel schon nicht dabeihaben wollte | |
bei den Verhandlungen. | |
Israel und Iran haben keine gemeinsame Grenze. Die beiden Staaten standen | |
sich noch nie in einem direkten bewaffneten Konflikten gegenüber; und doch | |
gelten sie jeweils für den anderen als größter Feind. | |
Das Problem für Israel war, dass die westlichen Verhandlungspartner einer | |
aus eigener Sicht viel zu reduzierten Direktive folgten. | |
Die palästinensische Hamas in Gaza und die libanesische Hisbollah bedrohen | |
Israel, nicht aber die USA oder Europa. Für den Westen sind IS und Al Qaida | |
ein viel größeres Problem, und Iran ist ein willkommener Partner im Kampf | |
gegen sie. | |
Unter den Parteien in Jerusalem herrscht weitgehender Konsens gegen das | |
Abkommen, von der arabisch-antizionistischen Vereinten Liste abgesehen. | |
Israels Zeitungen, auch der linken Haaretz, die als einzige die Einigung | |
begrüßte, geht es nun um die Millarden Dollar, die die Wirtschaft Irans | |
binnen kürzester Zeit wieder auf die Beine stellen werden, um übervolle | |
Öllager und um europäische Firmen, die „schon Schlange stehen“, um ins | |
Geschäft zu kommen mit Partnern in Teheran. Und es geht ihnen darum, welche | |
Terrorgruppen davon profitieren. | |
## Neues Wettrüsten | |
Die Hamas und die Hisbollah können ohne Zweifel beruhigt sein darüber, dass | |
ihr Mäzen nun wieder zahlungsfähig ist. Wie gern hätte man in Jerusalem den | |
Iran noch eine Weile verarmen lassen, und wie wenig realistisch war dieser | |
Wunsch. | |
Ein neues Wettrüsten ist abzusehen mit konventionellen Waffen. | |
Oppositionsführer Yizhak Herzog fährt in die USA, um die kaputten | |
Beziehungen zu reparieren und um über Sicherheitspakete für Israel zu | |
verhandeln. | |
Bunkerbrecher stehen kaum noch auf seiner Liste, denn obschon radikale | |
Stimmen gerade jetzt zur Eile drängen, zum Zuschlagen, bevor Iran mit den | |
Milliarden, die jetzt ins Land fließen, die Abwehrsysteme modernisiert, ist | |
ein Präventivschlag wohl vom Tisch. | |
„Israel kann mit einem nuklearen Iran leben“, erklärte diese Woche Ehud | |
Barak. Der ehemalige Generalstabschef und Verteidigungsminister muss es | |
wissen. Israel rührte die Kriegstrommeln stets heftig, um die Welt zu | |
mobilisieren, was nun, da über ein Auflockern der Sanktionen entschieden | |
ist, keinen Sinn mehr macht. | |
Übrig bleiben Sabotageaktionen, wie es sie in der Vergangenheit schon gab: | |
Computerviren und Mordanschläge auf iranische Physiker. | |
17 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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