# taz.de -- Die Wahrheit: Wie bei Griechens | |
> Neues von Deutschlands bekanntestem Schuldenfuchs: Peter Zwegat moderiert | |
> die Sendung „Raus aus dem Euro“. | |
Bild: Peter Zwegat ist mit den Krechtels überhaupt nicht zufrieden. | |
„Mann, Mann, Mann“, bellt Deutschlands beliebtester Schuldnerberater und | |
unterstreicht die Summe der Verbindlichkeiten auf seinem berühmten | |
Flipchart, während Familie Krechtel mit schreckgeweiteten Augen verfolgt, | |
wie dieser letzte Federstrich ihr Schicksal besiegelt. | |
„Ihr seid im Arsch, Kinder“, röhrt Peter Zwegat zwischen zwei herzhaften | |
Lungenzügen und drückt seine Zigarette im selbst gebackenen Kartoffelkuchen | |
von Frau Krechtel aus. „Ditt reinste Griechenland hier.“ | |
Dabei befindet man sich in Gladbeck, einer strukturschwachen Gemeinde am | |
Rande des Ruhrgebiets. Doch die Zahlen sind erschreckend griechisch. Seit | |
Heribert Krechtel nach einem Bandscheibenvorfall seinem Beruf als | |
Kurierfahrer nur noch eingeschränkt nachgehen kann, ist die | |
Wirtschaftskraft der Familie dramatisch eingebrochen, außerdem übersteigt | |
ihre Pro-Kopf-Verschuldung mittlerweile die der Hellenen. Zuletzt sind die | |
Krechtels sogar Raten für eine neu angeschaffte Polstergarnitur schuldig | |
geblieben. Und weil Sohn Thomas noch immer keine Lehrstelle gefunden hat, | |
liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei erschreckenden 100 Prozent. | |
„Hilft doch alles nichts mehr“, berlinert der joviale Finanzfuchs seine | |
Abmoderation in die Kamera. „Nüscht wie raus aus dem Euro.“ | |
Eben für die neue Sendung mit dem Namen „Raus aus den Schulden war gestern | |
– Raus aus dem Euro“ ist der gelernte Kettenraucher Zwegat aus dem | |
Ruhestand zurückgekehrt. Im Auftrag der Bundesregierung soll er chronischen | |
Schuldnern Alternativen zur europäischen Hochleistungswährung aufzeigen. | |
Seit Finanzminister Schäuble in einer emotionalen Geheimrede vor dem | |
Beamtenstab seines Hauses zum „Endkampf“ um einen harten Euro aufgerufen | |
haben soll, hat sich der Ton nicht nur gegenüber den säumigen Südländern | |
verschärft. | |
„Auch deutsche Privathaushalte sind oftmals von den strengen | |
Haushaltsrichtlinien der Eurozone überfordert“, erklärt Zwegat und | |
empfiehlt den Krechtels übergangsweise die Einführung der Kauri-Muschel als | |
Zahlungsmittel oder gleich den Wechsel in die Tauschwirtschaft. | |
## „Krexit jetzt!“ | |
Gesetzlich gibt es allerdings kaum Handhabe, fiskalischen Schandflecken wie | |
den Krechtels den Umgang mit dem Euro zu verbieten. Um die hochsensible | |
Währung dennoch vor Missbrauch durch ökonomische Minderleister zu schützen, | |
setzt man neben dem Einsatz prominenter Sympathieträger wie Zwegat auf | |
„sanften psychologischen Druck“ und „offensive Kommunikation“, wie es in | |
einem ebenfalls geheimen Strategiepaper des Ministeriums heißt. Und seit in | |
den Briefkästen der Nachbarn Kopien ihrer fehlerhaften Steuererklärung von | |
1998 aufgetaucht sind, werden die Krechtels tatsächlich massiv angefeindet. | |
„Krexit jetzt!“ hat jemand über die Wohnungstür der Familie geschmiert. | |
„Uns wird ständig nahegelegt, den Euroraum so schnell wie möglich zu | |
verlassen“, barmt Familienvater Krechtel. „Aber wo sollen wir denn hin?“ | |
Die beiden muskulösen Herren, die sich bisher diskret im Hintergrund | |
gehalten hatten, zucken mit den Achseln. Schon seit Wochen begleiten die | |
beiden Anzugträger die Krechtels auf Schritt und Tritt. „Irgendwann standen | |
sie bei uns vor der Tür und haben behauptet, im Auftrag irgendwelcher | |
Institutionen zu handeln“, berichtet Brigitte Krechtel. „Seitdem verfolgen | |
sie mich bis in den Supermarkt und räumen meinen Einkaufswagen leer. Nur | |
Kartoffeln und Margarine lassen sie drin. Außerdem haben sie mehrfach | |
versucht, meine Schwiegermutter aus dem teuren Pflegeheim zu entführen und | |
an einem Rastplatz auszusetzen.“ | |
„Natürlich geht mir das Schicksal der Familie menschlich nahe“, gibt | |
Fallmanager Robert S. von der zuständigen Sozialbehörde zu. „Aber in der | |
jetzigen Situation muss es doch vor allem darum gehen, dass Deutschland auf | |
internationaler Ebene glaubwürdig bleibt. Bei der Durchsetzung der | |
Austeritätspolitik kann es gerade für Bundesbürger keine Ausnahmen geben. | |
Natürlich bleibt die Tür für Gespräche dennoch offen. Aber nur, wenn die | |
Reformvorschläge der Institutionen von den Krechtels vollständig und sofort | |
umgesetzt werden.“ | |
Heribert Krechtel zeigt ein amtlich wirkendes Schreiben vor. Im | |
Wesentlichen besteht es aus der Wanderkarte eines nahe gelegenen Waldstücks | |
sowie einer Anleitung, wie man aus Blättern und Zweigen einen hübschen | |
Unterstand bauen kann. Dort sollen die Krechtels ausharren und auf weitere | |
Anweisungen der Institutionen warten. | |
Schuldnerberater Zwegat indes drängt nervös zum Aufbruch, Gerüchte von | |
einem bevorstehenden „Glexit“ haben im Filmteam die Runde gemacht. „Die | |
wollen ganz Gladbeck wegen schlechter Wirtschaftsdaten aus dem Euro | |
drängen. Zaun drum und fertig“, verrät ein Kameramann. „Wer sich nach | |
Sonnenuntergang noch in der Stadt befindet, wird zum Nordgriechen erklärt.“ | |
13 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Christian Bartel | |
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