# taz.de -- Rollenbilder im Unterricht: Lehrer brauchen Genderkompetenz | |
> Jungs tun sich in der Schule meistens schwerer und ecken öfter an als | |
> Mädchen. Eine Studie aus Berlin analysiert die Ursachen. | |
Bild: Bei der Schulleistung geht die Schere zwischen Jungen und Mädchen schon … | |
BERLIN taz | „Boys will be boys“ (übersetzt etwa: „Jungs sind nun mal so… | |
pflegte der Richter Roy Snider in der Fernsehserie „Die Simpsons“ zu sagen, | |
wenn Bart Simpson wegen seiner Streiche vor Gericht gelandet war – was | |
häufiger vorkam. Auf diesen Satz folgt in der Serie fast immer ein | |
Freispruch. | |
Im deutschen Schulsystem läuft das anders. Hier bekommen Jungen in der | |
Regel schlechtere Noten und machen schlechtere Schulabschlüsse als Mädchen. | |
In einer aktuellen Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und | |
Entwicklung suchen die Autoren Stephan Sievert und Steffen Kröhnert nach | |
Erklärungen und Lösungen für dieses Phänomen. | |
Deutschland ist kein Sonderfall. In fast allen Industrieländern schneiden | |
Mädchen in der Schule besser ab als Jungen. Doch die Unterschiede sind | |
hierzulande besonders groß. | |
Die Schere zwischen Jungen und Mädchen geht schon früh auseinander. Mehr | |
Mädchen als Jungen werden vorzeitig eingeschult, und Mädchen erhalten nach | |
der Grundschule häufiger eine Gymnasialempfehlung. 41 Prozent der Jungen | |
des Geburtsjahrgangs 1992 schlossen die Schule mit der Hochschulreife ab – | |
aber 51 Prozent der Mädchen. | |
## Umgekehrte Situation im Erwerbsleben | |
Die Ursachen dafür sind den Autoren zufolge weniger biologischer denn | |
sozialer Natur. Der bei Jungen im Durchschnitt höhere Testosteronspiegel | |
steht zwar im Verdacht, Risikobereitschaft und Aggressionsneigung zu | |
steigern. Wichtiger seien jedoch gesellschaftliche Einflüsse. Besonders | |
Rollenbilder spielen hier eine entscheidende Rolle. So wird von Jungen | |
draufgängerisches Verhalten erwartet, unter Gleichaltrigen können sie ihren | |
Status dadurch erhöhen, dass sie im Unterricht stören. Mädchen lesen | |
dagegen mehr und bereiten sich besser vor. Lernbereitschaft und gute Noten | |
stehen bei ihnen nicht im Widerspruch zum gängigen Mädchenbild. | |
Im Erwerbsleben kehrt sich die Situation dann um. Frauen erhalten für die | |
gleiche Leistung weniger Lohn. Dies ist jedoch kein Argument dafür, die | |
Geschlechterproblematik im Schulunterricht zu ignorieren. Zumal es auch | |
Fächer gibt, in denen Mädchen betroffen sind. In Mathematik, Informatik, | |
Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten Mint-Fächern, schneiden | |
sie tendenziell schlechter ab als Jungen. Gerade diese Fächer ermöglichen | |
jedoch oft den Zugang zu lukrativen Berufszweigen. | |
Für einen Ausweg aus diesem Dilemma haben die Autoren kein Patentrezept. Um | |
Mädchen in den Mint-Fächern besser zu fördern, sei es nötig, ihr | |
Selbstbewusstsein zu stärken und den Unterricht stärker an ihren Vorlieben | |
auszurichten. | |
## Größeres Bedürfnis nach Motivation | |
Wichtig sei es darüber hinaus, Lehrkräfte über Unterschiede im Verhalten | |
von Mädchen und Jungen aufzuklären und darüber, wie diese zustande kommen. | |
Außerdem sollten Rollenstereotype hinterfragt und Jungen stärker fürs Lesen | |
begeistert werden. | |
Jungen hätten ein größeres Bedürfnis nach engagierten Lehrkräften, die | |
Begeisterung für den Unterricht wecken. Das Geschlecht der Lehrkraft ist | |
dabei zweitrangig. Die Vermutung, dass immer mehr weibliche Lehrkräfte | |
schuld seien am Zurückbleiben der Jungen, gilt als widerlegt. In der Praxis | |
zeigte sich kein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Lehrkraft und der | |
Leistung des Schülers. | |
4 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Tobias Maier | |
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
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