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# taz.de -- Horst Seehofer über Asylbewerber: Gegen Gauck und Flüchtlinge
> Der CSU-Chef kritisiert den Appell des Präsidenten und geißelt „massiven
> Asylmissbrauch“. Linke nennen die CSU „gefährlich“, Grüne „billig�…
Bild: Der CSU-Chef grämt sich über Zuwanderung.
Berlin taz | Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist bekannt für seine
markigen Sprüche. In einem Interview mit dem Münchner Merkur hat der
CSU-Politiker diesmal überraschend kräftig gegen das Staatsoberhaupt
ausgeteilt. Und weil er gerade dabei war, auch gleich und vor allem gegen
Flüchtlinge.
Am zurückliegenden Wochenende hatte Bundespräsident Joachim Gauck eine Rede
zum „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ gehalten. Darin
hatte er das Schicksal der nach 1945 umgesiedelten Deutschen in einen
historischen Zusammenhang mit den aktuell hier eintreffenden Flüchtlingen
gestellt. „Ich wünschte, die Erinnerung an die geflüchteten und
vertriebenen Menschen von damals könnte unser Verständnis für geflüchtete
und vertriebene Menschen von heute vertiefen“, hatte Gauck erklärt.
Gegen diese Denkfigur verwahrt sich Horst Seehofer. „Ich weiß aus vielen
Gesprächen mit Heimatvertriebenen, dass sie solche Vergleiche nicht gern
hören“, sagt der CSU-Vorsitzende im Interview. Heute gehe es „um
massenhaften Asylmissbrauch“.
Wie man dem künftig begegnen solle, weiß der bayerische Ministerpräsident
auch. „Wegen der extrem hohen Zahlen beim Asylmissbrauch aus Balkanstaaten“
sinke die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. „Die Rückführung
abgelehnter Asylbewerber muss noch stärker stattfinden als bisher.“ Die
Länder bräuchten mehr Geld. Außerdem müsse der Gesetzgeber mehr
Balkanländer zu sicheren Drittstaaten erklären, „in die wir dann schneller
abschieben können“. Für Flüchtlinge, die es nach Bayern verschlagen hat,
erwägt Seehofer den Entzug von Bargeld und die Wiedereinführung von
Essenspaketen.
## Zusammenhang mit Freital
Der Widerspruch kam umgehend. Linkspartei-Chefin Katja Kipping nannte
gegenüber der taz die Äußerungen des CSU-Vorsitzenden „hinterwäldlerisch
und gefährlich“. „Wer angesichts von Tausenden toten Flüchtlingen im
Mittelmeer konsequent gegen ‚massenhaften Asylmissbrauch‘ vorgehen und
schneller abschieben will, der gießt Öl ins Feuer“, sagte Kipping. Horst
Seehofer rede denen das Wort, die Flüchtlinge angreifen.
Kipping sieht einen direkten Zusammenhang zu den aktuellen Ereignissen in
Freital. In der sächsischen Gemeinde demonstrieren seit Tagen Fremdenfeinde
gegen eine Asylunterkunft. Flüchtlinge und deren Unterstützer bräuchten
Solidarität, sagte Kipping, „sie sind die besorgten Bürger und nicht der
braune Mob mit blau-weißer Unterstützung“.
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag kritisierte Horst
Seehofer scharf. Dieser betreibe „billigen Populismus auf dem Rücken von
Flüchtlingen. Die Kritik am Bundespräsidenten ist deplatziert“. Seehofer
kopiere die Argumente von Pegida und Co.
Bei der Schwesterpartei der CSU mochte man Seehofers Äußerungen nicht
kommentieren. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion
sprang Horst Seehofer bei. „Asylverfahren für nicht schutzbedürftige
Zuwanderer zügig abzuschließen und diese möglichst rasch zurückzuführen,
ist zwingende Voraussetzung dafür, den wirklich Hilfsbedürftigen angemessen
helfen zu können“, sagt der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer der taz. Er könne
nicht erkennen, dass Horst Seehofer fremdenfeindliche Ressentiments
bedient. „Es geht darum, die Zustimmung der Bevölkerung zur Asylpraxis auf
dem derzeit hohen Niveau halten zu können.“ Die Einstufung weiterer Länder
als „sichere Herkunftsstaaten“ nennt Mayer eine „hilfreiche Maßnahme“.
Seine Fraktionskollegin Cemile Giousouf findet Seehofers Wortwahl „zu
scharf“. Sie könne den Eindruck erwecken, „dass Menschen unrechtmäßig
Zuflucht in Deutschland finden“, sagt die Integrationsbeauftragte der Union
auf taz-Anfrage. Die Situation von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen sei
„insofern vergleichbar, dass viele Deutsche nach 1945 auf Solidarität
angewiesen waren“. So erkläre sie sich die große Hilfsbereitschaft.
25 Jun 2015
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
Horst Seehofer
Populismus
CSU
Freital
Schwerpunkt Flucht
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Schwerpunkt Rassismus
Flüchtlinge
Minderjährige Geflüchtete
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Flüchtlinge
Vertriebene
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