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# taz.de -- Drusen in Israel und Syrien: Geld sammeln für Waffen
> Die Minderheit im Norden des Landes sorgt sich um ihre Verwandten in
> Syrien. Der Bürgerkrieg rückt näher an die Grenze auf den Golanhöhen.
Bild: Mit Sorge schauen israelische Drusen über die Grenze nach Syrien
Madschdal Schams taz | „Wir sind bereit, als Märtyrer zu sterben, für
unsere Brüder, die Drusen“, rufen Demonstranten in Madschdal Schams auf den
von Israel annektierten Golanhöhen. Mit der syrischen Flagge und Bildern
von Präsident Baschar al-Assad ziehen sie um das Kriegerdenkmal in der
Kleinstadt. „Mutter, Vater, Brüder und Schwestern – wo seid ihr?“, rufen
sie.
Die Sorge um Familienangehörige in Syrien wächst. Vier Jahre lang hielt
sich die Religionsgemeinschaft aus dem Bürgerkrieg heraus, bis Anfang des
Monats Milizen der Nusra-Front, ein Ableger von al-Qaida, ein Blutbad in
der syrischen Provinz Idlib anrichteten und mindestens 20 Drusen töteten.
„Als brenne ein Feuer in meinem Herzen“, beschreibt Rima Rumia ihr Bangen
um Mutter und Geschwister.
Rumia zog 1986 von Syrien nach Israel, um zu heiraten. „Ich bin die erste
syrische Braut“, sagt sie stolz. Hochzeiten waren bis zum Bürgerkrieg in
Syrien Grund für eine Sondergenehmigung, die Grenze passieren zu dürfen.
Nur ein paar Tausend Drusen blieben auf den Golanhöhen zurück, als Israel
im Sechstagekrieg 1967 die syrische Armee zurückdrängte. Sie sind Anhänger
einer Religionsgemeinschaft, die sich im 11. Jahrhundert vom Islam
abspaltete. Sie glauben an die Wiedergeburt und sind jeweils dem Staat
gegenüber loyal, in dem sie leben. Die israelischen Drusen dienen in der
Armee, wohingegen sich die Drusen auf dem 1981 von Israel annektierten
Golan bis heute mehrheitlich als Syrer empfinden und treue Anhänger des
Assad-Regimes sind. Nur ein Bruchteil nahm die israelische
Staatsbürgerschaft an.
## Hoffen auf Grenzöffnung
Auf dem Golan wie auch im israelischen Galiläa demonstrieren Drusen gegen
„islamistische Terroristen“ und sammeln Geld für ihre Familien in Syrien.
Aus Furcht vor einer Wiederholung der Gräueltaten an den Jesiden im Irak
greifen die Leute tief in die Tasche. Allein am Wochenende kamen
umgerechnet 2,5 Millionen Euro zusammen. Von dem Geld sollen Waffen gekauft
werden, die via Jordanien nach Syrien geschickt werden.
Rima Rumia wünschte sich, dass die Grenze nach Syrien geöffnet wird, damit
sie bei ihrer Familie sein kann, die sie zum letzten Mal vor vier Jahren
gesehen hat. Die Sorge um ihre Mutter und Geschwister lässt sie schwanken
in ihrer Haltung gegenüber Israel. Als „Verräter“ schimpft sie einerseits
die verletzten Syrer, die sich in israelischen Krankenhäusern behandeln
ließen. Auf der anderen Seite wäre sie froh, „wenn Israel einverstanden
wäre, die Grenzen zu öffnen und meine Familie hier in Frieden leben ließe“.
Dass Israel Flüchtlingslager für die drusischen Syrer zulassen wird,
scheint derzeit noch eine ferne Vision zu sein. Nichtsdestotrotz kündigte
Generalstabschef Gadi Eisenkot „humanitäre Maßnahmen“ an. Die israelische
Armee werde „alles unternehmen, um ein Massaker an den Drusen zu
verhindern“. Etwa 700.000 Drusen sollen heute in Syrien leben. Nur ein Zaun
trennt den israelischen Golan vom syrischen. Er wäre leicht zu überwinden.
Ein Szenario, dass Israels Armee auf Hilfe suchende Drusen schießt, will
sich niemand vorstellen, schließlich geht es um „die Brüder unserer
Brüder“, sagt Usi Dayan, ehemals Nationaler Sicherheitsberater im
staatlichen israelischen Fernsehen. Gemeint sind die Waffenbrüder, die
drusischen Soldaten in der israelischen Armee.
## Kein israelisches Militär
Die Stimmung unter den Golandrusen ist gespalten. Fast im Wortlaut reden
viele vom „Beginn des dritten Weltkrieges“ und von einem bevorstehenden
„Holocaust“, gleichzeitig lebt der Kampfgeist und die Illusion, dass den
syrischen Drusen gelingen werde, woran Assads Truppen scheiterten. „Wir
können diese Schlacht gewinnen“, meint Hamad Aweidat, Druse und Journalist.
Auch Usi Dayan findet, dass sich „die Drusen selbst verteidigen sollen“.
Israel müsse „alles, was die Drusen brauchen, bereitstellen“. Dazu gehört…
Waffen, humanitäre Hilfsmittel und „Decken und Kleidung für den Winter“.
Die Massenflucht zu verhindern ist das Ziel. Dass Israel auf keinen Fall
militärisch einschreiten soll, solange der Bürgerkrieg an der Grenze
anhält, ist breiter Konsenz unter Juden und Drusen.
Schon direkte humanitäre Hilfe aus Israel könnte sich kontraproduktiv auf
das Schicksal der syrischen Drusen auswirken. Israel ist Feind aller drei
Parteien, die in Syrien gegeneinander kämpfen: der Regierung, des
Islamischen Staates (IS), und der Nusra-Front. Israel liefert indes schon
jetzt „große Mengen Wasser an Jordanien“, berichtet der drusische
Knessetabgeordnete Ajoub Kara aus Daliat el-Karmel, unweit der Stadt Haifa.
Jordanien hat rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, „für
die ist das Wasser gedacht“.
Kara hofft, dass die Drusen ihr Land nicht verlassen werden. Der
israelische Politiker kritisierte den libanesischen Drusenführer Walid
Dschumblat, der gegen Jerusalem wetterte, dass „die syrischen Drusen nicht
im Traum daran denken, Israel um Hilfe zu bitten“. Dschumblat gilt nicht
nur als vehementer Kritiker Israels, sondern auch als Gegner der syrischen
Regierung. Ungeachtet der geografisch-nationalen Unterschiede, meint der
israelische Politiker Kara, sei es jetzt wichtig, dass alle gemeinsam am
gleichen Strick ziehen, um die syrischen Drusen zu stärken.
25 Jun 2015
## AUTOREN
Susanne Knaul
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Israel
Golanhöhen
„Islamischer Staat“ (IS)
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