| # taz.de -- Die Wahrheit: Licht im Pferd | |
| > Kurz vor dem Grexit überschlagen sich die Metaphern in der | |
| > Berichterstattung über das hellenische Schuldendebakel. | |
| Bild: Was stört die Griechen die Bilderflut, solange sie den Sonnenuntergang a… | |
| Greuro oder Grexit? Das griechische Drama spitzt sich immer weiter zu – | |
| besonders in den Metaphern der Berichterstattung. Halten die | |
| Rettungsschotten? Gibt es den Silberstreif im Schuldentunnel, Licht im | |
| trojanischen Pferd? Oder erleben wir das große Überschwappen in andere | |
| Krisenländer: Itexit, Irexit und Spexit? Der Dominoeffekt! Schließlich | |
| braucht die Kanzlerin mehr Beinfreiheit für eine härtere Gangart, es geht | |
| um unsere Stabilitätsseele. | |
| Gestern war wieder großes Gedränge vor der Akropolis: Hellas ante portas! | |
| „Ein griechisches Lehman-Wochenende steht vor der Tür“, schreibt das | |
| Finanzportal Onvista. Doch zugleich steht auch „der Grexit vor der Tür“. | |
| Dazu kommt vermutlich noch der Hiobsbotschafter. Und keiner macht ihm auf. | |
| Auch wenn die Klingel dröhnt. | |
| Drinnen schwingt Ministerpräsident Tsipras die griechische Angstkeule. Ja, | |
| er ist ein Fuchs. Glaubt man dem Fuchs, wenn er verspricht, die Gänse in | |
| Ruhe zu lassen?, fragen die Kommentatoren. Oder wäre es nicht besser, der | |
| Jäger würde schon mal die Flinte laden? Kennt der Fuchs eigentlich den | |
| Eurohund? Der Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader-Bank fordert: Der | |
| Eurohund muss wieder mit dem Schwanz wedeln und nicht der Schwanz mit dem | |
| Eurohund. Wo doch Tsipras „die Hand beißt, die ihn füttert“. | |
| Schauen wir auf das Gesamtbild: Wir müssten die Griechenkrise der | |
| Geopolitik unterordnen, sonst drohe Europa der geopolitische | |
| Bedeutungsverlust, sagt der Expräsident der Europäischen Zentralbank | |
| Trichet. Obama ist nervös, Putin lacht hämisch und bestellt neue | |
| Atomraketen, nur der Chinese befeuert ruhig seine Kohlekraftwerke. | |
| Die Griechen pokern hoch. Sie sind knallhart, ihr Pokerface ist | |
| sonnengegerbt. Varoufakis wölbt den Bizeps, grinst verschlagen gianishaft | |
| in die Kamera. Aber plötzlich: „Das Pokerface hat Sorgenfalten!“ Wie | |
| bekommt er bloß die Sorgenfalten ins Pokerface? Ist es dann überhaupt noch | |
| ein Pokerface? Oder schon eine Fratze? Zeigt sich am Horizont die kalte | |
| Fratze des Staatsbankrotts? | |
| Die kinderlose Kanzlerin erlebt harte Tage. Überstunden bei Schnittchen und | |
| Kamillentee. Es geht auch „um unsere Spareinlagen“. Kann Merkel „erneut a… | |
| Mutter Courage der Finanzmärkte brillieren?“, fragen | |
| Wirtschaftswissenschaftler. | |
| Die Deutschen sind jetzt zu 58 Prozent für den Grexit. Die Griechen sollen | |
| raus aus dem Euro. Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen, warnte schon | |
| Herbert Wehner. „Ein Grexit wäre kein Kinderspiel“, analysiert der Spiegel. | |
| Jedenfalls liege der Ball fest im Feld der Griechen. Aber er ist zu stark | |
| aufgepumpt, denn „Brüssel und Berlin erhöhen den Druck“. Der Ball droht zu | |
| platzen, und die Griechen schießen lauter Eigentore. Wissen sie überhaupt, | |
| wo das Tor ist und welches Spiel gespielt wird? Merkel wird „zum | |
| wichtigsten Gegenspieler Athens“. | |
| Ein Glück: Der deutsche Pauschaltourist hat in Griechenland nichts zu | |
| befürchten. Hotels, Flüge, Bustouren – alles ist in Euro bezahlt, | |
| vertraglich abgesichert, sagt das Reiseunternehmen Tui. Aber wenn jetzt | |
| plötzlich die Tür aufgeht und die Drachme kommt? Wie sollen wir in der | |
| Taverne unseren Retsina und die zwei Souflakispießchen bezahlen? „Was genau | |
| passiert, weiß keiner“, sagt Tourismusexperte Volker Böttcher. Der Grieche | |
| bleibt unberechenbar. Die letzte Olivenölproduktion war jedenfalls gut bis | |
| sehr gut. | |
| Die Griechen stecken weiter Banknoten unters Kopfkissen. 400 Millionen Euro | |
| pro Tag seit Anfang Juni. So kann es nicht weitergehen. Die Kopfkissen sind | |
| zu klein, die Griechen in Panik, doch „die richtige Panik hat noch nicht | |
| einmal begonnen“, meldet die BBC. Aber jetzt „naht die Stunde der | |
| Wahrheit“, im Minutentakt. Die Zeit ist abgelaufen, nachdem sie lange knapp | |
| und reif war. Die „Königsdisziplin heißt jetzt Schuldenzahlen“, nicht nur | |
| versprechen, sondern Versprechen halten – kein Bauern-, sondern ein | |
| Damenopfer bringen. | |
| Und mitten im Metaphernsalat gibt es eine Überraschung an der Börse: Die | |
| Krise lässt den Euro kalt, die Gemeinschaftswährung notiert stabil, die | |
| Märkte atmen auf, der Dax erholt sich. Hongkong ist fest, der Nasdaq dreht | |
| ins Plus, die Glocke der Wall Street beschließt einen turbulenten | |
| Handelstag. In der Ägäis schließen die Doraden die müden Augen, die | |
| griechischen Esel legen sich erschöpft ins Stroh, und die Sonne versinkt | |
| blutrot im Mittelmeer. | |
| 19 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Kriener | |
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