# taz.de -- Festival „Makecity“ in Berlin: Alternatives (Ver-)Planen | |
> Wie soll Stadtleben aussehen? Damit beschäftigt sich „Makecity“ ab | |
> Donnerstag. Das Festival scheut aber radikale Fragen. | |
Bild: Das Tempelhofer Feld ist ein Paradebeispiel, wie sich die Berliner ihre S… | |
Die Ära Hans Stimmann konnte den Ruf Berlins offenbar nicht völlig | |
ruinieren. Trotz der 20-jährigen Herrschaft von Blockrandbebauung und | |
historischem Stadtgrundriss auf Geheiß des damaligen Senatsbaudirektors | |
(1999 bis 2006) steht Berlin heute noch immer - vor allem im Ausland - für | |
die Chancen in Städtebau und Architektur, etwas anders zu machen. | |
„Über die Jahre hat Berlin eine Vielzahl von urbanen Interventionen und | |
alternativen Raumnutzungen von Architekten, Landschaftsarchitekten und | |
Künstlern hervorgebracht. Viele dieser Gestaltungsstrategien werden nach | |
und nach in anderen Städten übernommen“, sagt Francesca Ferguson. Die | |
Architektur- und Ausstellungskuratorin und Journalistin hat genau zu diesem | |
Thema ein großes Festival auf die Beine gestellt: „Makecity“ soll | |
Alternativen zum gängigen Planen und Bauen aufzeigen und die | |
(internationalen) Akteure im urbanen Raum miteinander vernetzen. Insgesamt | |
140 Veranstaltungen an 85 Orten werden dazu innerhalb von drei Wochen | |
aufgeboten. Talks, Führungen, Ausstellungen, Open-House-Formate und selbst | |
Kinderevents sind dabei. | |
Möglich wurde das Festival vor allem durch die Unterstützung des | |
Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Heinrich-Böll-Stiftung | |
und einiger anderer öffentlicher Einrichtungen. Aber auch private Sponsoren | |
wie Rechtsanwälte und sogar eine Immobilienconsulting haben sich an der | |
Finanzierung beteiligt. | |
## Berlin, Ort der Möglichkeiten | |
Berlin gilt laut Ferguson immer noch als Ort der Möglichkeiten, obwohl die | |
Zeit der informellen Aneignung der Stadt im Nachwendejahrzehnt längst | |
vorbei ist. Inzwischen jedoch sieht Ferguson die Zeit der Kreativen | |
gekommen, spontane Projekte von unten in einem Netzwerk der Möglichkeiten | |
zu institutionalisieren. „Partizipation“ heißt nun das Zauberwort, bei der | |
die Profis aus den Architekturbüros mit den Leuten in der Stadt | |
zusammenfinden sollen. | |
Die Rolle des Architekten sieht denn auch die Architektenkammer immer mehr | |
als Vermittler. Deshalb ist auch die Kammer beim Festival mit dabei. Ihr | |
diesjähriger „Tag der Architektur“ am 27. und 28. Juni mit den | |
Möglichkeiten zur Begehung exemplarischer Bauprojekte setzt den | |
Schlusspunkt von „Makecity“. | |
Dass das Heil einer „Stadt für alle“ nun ausgerechnet von den Kreativen aus | |
Design, Architektur und Landschaftsgestaltung kommen soll, mutet allerdings | |
etwas naiv an. Tatsächlich geht es den vielen gut gemeinten Projekten - ob | |
da mit angeblich nachhaltigem Holz gebaut wird, ein Flussbad in der Spree | |
geplant wird oder ob „smarte“ Landschaftsparks beschworen werden - auch ums | |
eigene Geschäft. Radikalere Fragen nach der Verfügungsgewalt über Grund und | |
Boden, nach Änderung von Gesetzen etwa zugunsten gemeinwirtschaftlichen | |
Handelns und schließlich die Frage, ob Rendite und Profit die richtigen | |
Beweggründe für eine lebenswerte Stadt sind, scheinen im Programm nicht | |
sonderlich weit oben auf der Prioritätenliste zu stehen. | |
Eine Diskussion nicht nur über, sondern auch mit der Politik und ihren | |
Vertretern ist im Rahmen des Festivals gleich gar nicht vorgesehen. Die | |
Kreativen meinen offenbar, schon mit Designs und Partizipationsangeboten | |
das Leben in der Stadt bessern zu können. Aber das kann bestenfalls ein | |
Anfang sein. | |
Immerhin gibt es unter den Festivalteilnehmern auch Überlegungen zu einer | |
Renaissance der Genossenschaften. „Solche Projekte entstehen immer mit | |
politischer Absicht und einer Botschaft. Stadtentwicklung funktioniert | |
nicht ohne politische Willensbildung“, liest man beispielsweise in der | |
Festivalzeitung. Es sollte den Kreativen, den Planern und selbsternannten | |
„Machern“ zu denken geben, dass der Erfolg der Initiative „100 % | |
Tempelhof“, der vom Festival jetzt als paradigmatische Chance für das | |
Andere in der Stadtplanung angeführt wird, vor eines wollte: Nämlich keine | |
(Ver-)Planung von Gemeinflächen, wie es jetzt unter alternativen Label | |
schon wieder versucht wird. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Ronald Berg | |
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