# taz.de -- Kommentar Flüchtlinge in Südostasien: Zum Sündenbock gemacht | |
> Während Birmas Wandel gepriesen wird, bleiben die Rohingya rechtlos. Die | |
> Taliban hoffen, dass sich die muslimische Minderheit radikalisiert. | |
Bild: Aus einem Rohingya-Camp in Birma spricht Sohidar über Skype mit ihrem Ma… | |
Pakistans Taliban haben jüngst die in Birma (Myanmar) verfolgte muslimische | |
Minderheit der Rohingya zum „heiligen Krieg“ aufgefordert. Die Islamisten, | |
denen der Schutz religiöser Minderheiten sonst selbst völlig fremd ist, | |
hoffen auf eine Radikalisierung der gut eine Million zählenden Rohingya in | |
Birma. | |
Denn dort zählt die verfolgte Minderheit zu den Verlierern des politischen | |
Wandels. Bisher haben die Rohingya nicht mit Radikalisierung und Gewalt | |
reagiert, sondern zehntausendfach mit Flucht. Die Flucht der in Birma | |
rechtlosen Rohingya, zum Teil über Bangladesch, ist die Hauptursache der | |
gegenwärtigen Flüchtlingskrise in Südostasien. | |
Birmas Regime verwahrt sich dagegen, von Rohingya zu sprechen, und besteht | |
auf ihrer Bezeichnung als Bengalen. Das soll deren offiziellen Status als | |
illegale Einwanderer unterstreichen. Diese Haltung ist im Land bis tief in | |
demokratische Kreise verbreitet. Entsprechend weigert sich Birmas | |
Regierung, Verantwortung für die jetzige Flüchtlingskrise zu übernehmen und | |
deren wirkliche Ursachen zu bekämpfen. | |
Die internationale Gemeinschaft reagiert darauf weitgehend hilflos. Zwar | |
nehmen immerhin Indonesien und Malaysia vorübergehend bei ihnen ankommende | |
Flüchtlinge auf. Doch bleiben sollen sie nicht dürfen. Andere asiatische | |
Länder helfen gar nicht. Und westliche Länder appellieren nur, wollen aber | |
nicht handeln. Sie können auch schlecht Druck ausüben. Denn gerade erst | |
wurden die unbeliebten westlichen Sanktionen, denen Birmas frühere | |
Militärjunta jahrelang trotzte, aufgehoben. | |
## Europa macht keine gute Figur | |
Gleich wieder neue Sanktionen zu verhängen wäre nicht nur wenig | |
erfolgversprechend, sondern würde auch der westlichen Politik der letzten | |
Jahre widersprechen. So erklärte etwa US-Präsident Obama den Wandel in | |
Birma zu einem prominenten Erfolg seiner (sonst eher erfolglosen) | |
Außenpolitik. Den wird er jetzt kaum selbst schmälern wollen, weshalb er es | |
bei Appellen belässt. | |
Die Europäer machen beim Umgang mit den Flüchtlingen im Mittelmeer selbst | |
keine gute Figur. Kein Wunder, dass ihre Appelle in Birma kaum zu hören | |
sind. So setzen sich bisher hauptsächlich UN-Vertreter für die Rechte der | |
Rohingya ein. Doch deren Elend, Flucht und Vertreibung dürfte vorerst | |
weitergehen, auch wenn sie bald keine Schlagzeilen mehr machen. | |
Vielleicht gibt es die Chance auf gesichtswahrende Kompromisse nach Birmas | |
Wahlen im November, sollten diese zu klaren Verhältnissen führen. | |
Andernfalls dürfte die Rohingya wieder zu innenpolitischen Sündenböcken | |
werden. Und vielleicht folgen dann doch noch einige dem Taliban-Aufruf zum | |
„heiligen Krieg“. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Sven Hansen | |
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