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# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Mishras wilder Westen
> Der indische Autor Pankaj Mishra ist auf ein imperialistisches Zentrum
> fixiert. Das spottet der Realität der kapitalistischen Globalisierung.
Bild: Das heutige Jakarta ist geprägt von Hochhäusern und Shopping-Malls.
„Heute, 70 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, haben wir den
Holländern anscheinend verziehen“, sagt Goenawan Mohamad bei einem Gespräch
Anfang Juni in Jakarta. Er deutet dazu im Hintergrund auf die Kulisse des
historischen Stadtkerns von Jakarta, vormals Batavia, wo erst kürzlich
Gebäudefassaden aus der holländischen Kolonialzeit restauriert wurden.
Sie rotteten jahrelang vor sich hin, bis sich die Indonesier darauf
besannen, dass nicht alles aus der Ära der Holländer von Nachteil sein
muss. Die heute 20 Millionen Einwohner zählende Hauptstadt entwickelte sich
in der postkolonialen Phase zu einem urbanen Moloch, geprägt von
Verkehrschaos und einer Stadtplanung, die sich den Interessen exklusiver
Eliten unterwarf. Eintönige Wolkenkratzerarchitektur, Shoppingmalls, Gated
Communities, daneben die ausgedehnten Armenviertel.
Aufgeklärte Intellektuelle wie Mohamad wissen, dass die meisten der
heutigen Probleme von Staaten wie Indonesien sich kaum mehr mit der
Geschichte des europäischen Kolonialismus begründen lassen. Sie haben
vielmehr die Phase nach der Unabhängigkeit im Blick, als sich neue
autoritäre Regime etablierten.
## Gerechtigkeitsdefizite in Asien
Auch Pankaj Mishra hat sich für sein Buch „Begegnungen mit China und seinen
Nachbarn: Malaysia, Hongkong, Indonesien, Taiwan, Mongolei, Tibet, Japan,
Indien“ (S. Fischer Verlag, 2015) mit Mohamad unterhalten. Doch der
Ideologe in Mishra hat auch hier die Neigung, Gerechtigkeitsdefizite in
Asien auf den verderbten „westlichen“ Kapitalismus zu schieben. Obwohl er
gleichzeitig als neugieriger Reiseschriftsteller ständig Menschen wie
Mohamad trifft, die ihn und seine Leser eigentlich eines Besseren belehren.
So wird die Lektüre Mishras zu einer wesentlich paradoxeren Angelegenheit
als ein Gespräch mit Mohamad in Jakarta selbst. „Wohlstand und Macht“,
meint Mishra etwa, „erlangten autoritäre Staaten, deren einheimische Eliten
koloniale Techniken des Zwangs und der ideologischen Täuschung übernommen
hatten.“ Er formuliert das, als ob es keine Herrschaftsgeschichte vor und
nach dem Kolonialismus gäbe.
Mishra ist in seiner Ideologie fest auf ein imperialistisches Zentrum als
Schaltzentrale fixiert, was aber der Realität der fortschreitenden
kapitalistischen Globalisierung spottet. Intellektuelle wie Goenawan
Mohamad konzentrieren sich daher auch längst auf hausgemachte Probleme
(Korruption, soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung, Nationalismus).
Davon berichtet Mishra zwar auch. Allerdings ohne zu begreifen, in welchem
Zusammenhang der antiwestliche Befreiungsnationalismus und etwa der blutige
Aufstieg eines Suhartos stehen, von dessen Herrschaft sich Indonesien im
Gegensatz zu der holländischen bis heute nicht erholt hat.
22 Jul 2015
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Jakarta
Schwerpunkt Syrien
Eisenbahn
Rohingya
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