# taz.de -- Sterbehilfe-Debatte im Bundestag: „Weg der Mitte“ vorgeschlagen | |
> Politiker aller Fraktionen legen einen Gesetzentwurf zur Sterbehilfe vor. | |
> Die geschäftsmäßige Förderung des Suizids soll demnach bestraft werden. | |
Bild: Auch Bundesgesundheitsminister Gröhe trägt den Antrag mit. | |
Berlin afp | Eine Gruppe von Abgeordneten aller Fraktionen tritt für eine | |
Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung von Sterbehilfe ein. Mit dem am | |
Dienstag in Berlin vorgelegten Gesetzentwurf werde ein „Weg der Mitte“ | |
zwischen der völligen Strafbarkeit und der kompletten Freigabe der | |
Suizidbeihilfe beschritten, sagte die Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion, | |
Kerstin Griese, in Berlin. Der Entwurf soll mit konkurrierenden Vorlagen | |
Anfang Juli erstmals im Bundestag beraten werden. | |
Mit der Neuregelung soll die Beihilfe zur Selbsttötung grundsätzlich weiter | |
erlaubt bleiben, aber dann geahndet werden können, wenn sie – etwa von | |
einem Verein – geschäftsmäßig betrieben wird. In Deutschland nähmen Fälle | |
zu, in denen Vereine oder einschlägig bekannte Einzelpersonen die Beihilfe | |
zum Suizid regelmäßig anbieten, heißt es in dem Antrag, der auch von | |
Michael Brand (CDU), Michael Frieser (CSU), Eva Högl (SPD), Harald Terpe | |
(Grüne) und Halina Wawzyniak (Linke) mitgetragen wird. „Dadurch droht eine | |
gesellschaftliche Normalisierung, ein Gewöhnungseffekt an solche | |
geschäftsmäßigen Formen des assistierten Suizids einzutreten.“ | |
Nach Angaben der Grünen-Politikerin Elisabeth Scharfenberg kommt es in | |
Deutschland jährlich nur zu 200 bis 500 Fällen von assistiertem Suizid. In | |
Belgien etwa, wo inzwischen sogar die aktive Sterbehilfe erlaubt ist, sei | |
die Zahl stark gestiegen, argumentieren die Initiatoren des Entwurfs | |
zugunsten gesetzlicher Einschränkungen. | |
In dem Gesetzentwurf der Gruppe heißt es, wer in der Absicht, die | |
Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die | |
Gelegenheit verschaffe, werde mit einer Freiheitsstrafe von drei Jahren | |
bestraft. | |
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte den Gruppenantrag. Das | |
Strafrecht allein ersetze aber nicht die dringend notwendige Debatte über | |
die Versorgung der Schwerstkranken und Sterbenden, erklärte Vorstand Eugen | |
Brysch. | |
## Im Widerspruch zum ärztlichen Standesrecht | |
Der vorgelegte Entwurf, der nach Angaben Brands auch von | |
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Unionsfraktionschef Volker | |
Kauder (beide CDU) mitgetragen wird, ist einer von voraussichtlich vier | |
Gruppenanträgen, über die Anfang Juli beraten werden soll. | |
Ein strenges Verbot der Sterbehilfe sieht ein Entwurf der beiden | |
CDU-Politiker Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger vor. Ein weiterer | |
Vorstoß von Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) und | |
SPD-Fraktionsvize Carola Reimann sieht eine Regelung im Bürgerlichen | |
Gesetzbuch vor, mit der die Sterbehilfe in Deutschland Ärzten unter | |
bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich ermöglicht werden soll. | |
Die Suizidbeihilfe ist zwar in Deutschland für niemanden strafbar, in | |
Teilen der Bundesrepublik steht sie aber im Widerspruch zum ärztlichen | |
Standesrecht. „Wir möchten keine Lex Ärzte“, kritisierte Frieser die | |
Vorlage von Hintze und Reimann. | |
Eine weitere Vorlage von Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) | |
sieht eine weitgehende Straffreiheit der Sterbehilfe vor – sofern sie an | |
einer erwachsenen, freiverantwortlich handelnden Person nach eingehender | |
Beratung geleistet wird, wie die Tageszeitung „Welt“ (Mittwochsausgabe) | |
berichtete. Demnach soll die Suizidbeihilfe künftig eine ärztliche Aufgabe | |
sein können und den Ärzten nicht untersagt werden dürfen. | |
Eine Entscheidung über die künftige gesetzliche Regelung will das Parlament | |
im November fällen. Das Thema wird seit längerem quer durch alle Fraktionen | |
kontrovers diskutiert. | |
9 Jun 2015 | |
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