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# taz.de -- Kommentar TTIP-Schiedsgerichte: EU-Bürger, schaut auf diese Frakti…
> Das EU-Parlament kann eine historische Entscheidung treffen und
> Welthandel sinnvoll definieren. Es hängt an den Sozialdemokraten.
Bild: Sigmar Gabriel hätte es ungern privat, zumindest in Sachen Schiedsgerich…
Die Betonung liegt auf: privat. Auf dieses Wörtchen starren die
Sozialdemokraten im EU-Parlament gerade wie Männer auf Ziegen. Fällt privat
weg, dann haben sie ihn, ihren Erfolg. Oder auch nicht.
Am Mittwoch dieser Woche wollte das EU-Parlament über seine Position zum
Freihandelsabkommen TTIP zwischen den EU und den USA abstimmen. Doch daraus
wurde erstmal nichts; das Votum ist auf unbestimmte Zeit verschoben.
Es ist nicht irgendein Abkommen: Seine Ausgestaltung entscheidet darüber,
wie viel mächtiger künftig transnationale Konzerne werden, wenn sie
schrankenlos zwischen den beiden größten Wirtschaftsblöcken der Welt in
Konkurrenz treten. Damit treten auch Arbeitnehmer, wir alle, auf beiden
Seiten des Atlantiks in einen noch stärkeren Wettbewerb gegeneinander.
Momentan nun rotiert Brüssel. Denn das Parlament könnte sich gegen eine der
umstrittensten Punkte in TTIP aussprechen: Schiedsgerichte.
Solche Gerichte sind bisher Standard in weltweit rund 3.200
Handelsabkommen. Konzerne können Staaten verklagen, wenn sie wegen
gesetzlicher Regelungen etwa zum Umweltschutz ihre Investitionen gefährdet
sehen.
Die Schiedsgerichte tagen und urteilen geheim und bewegen sich jenseits
nationaler Rechtssysteme und öffentlicher Kontrolle. So wurde Kanada
verklagt, weil es Fracking zeitweise verbieten wollte, oder Deutschland
wegen des Atomausstiegs. Solche Gerichte sollen nach bisherigem Stand auch
Teil von TTIP werden.
Ausgerechnet die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament könnte das
nun zementieren. Dort streitet man sich, bisher, um das Wörtchen privat
oder öffentlich. Bisher will die Fraktion lediglich private Schiedsgerichte
verhindern, wie auch der deutsche Wirtschaftsminister und Sozialdemokrat
Sigmar Gabriel. Stattdessen soll es eine transparentere Version von
Schiedsgerichten geben, mit echten Richtern besetzt - man will also den
absoluten Minimalstandard.
## Die Bosse gebändigt
Das könnte dann auch Gabriel in Deutschland als Sieg verscherbeln: Schaut,
die SPD hat die Bosse gebändigt (und ihnen eigentlich gegeben, was sie
wollten, aber das checkt eh keiner).
Doch eigentlich unterdrückten die Sozialdemokraten so eine Diskussion um
die generelle Sinnhaftigkeit eines internationalen Extrawurstgerichtes für
die Wirtschaft, speziell für ihre Belange.
Sie sind das Gegenteil von dem, was der Globus braucht. Nötig ist faire,
würdige Arbeit, Schutz von Umwelt und Ressourcen, eine völlig neue
Wirtschaftsweise. Schon der Name Freihandel ist aus der Zeit gefallen: Wenn
die Freiheit im 21. Jahrhundert durch etwas gefährdet ist, dann durch einen
völlig durchgeknallten, ungezügelten Welthandel (dessen Früchte wir
freilich freudig konsumieren). Es braucht kein Gericht, das diesen Wahnsinn
auch noch zu protegiert, sondern eines, das ihn zügelt.
Nun ringen die Sozialdemokraten weiter darum, diese Schiedsgerichte
vielleicht doch komplett abzulehnen. Damit könnte eine etwas seltsame
Koalition eine Mehrheit im EU-Parlament dagegen aufbringen: Linke, Grüne,
Sozialdemokraten und Abgeordnete von diversen rechten Parteien, die TTIP
aus nationalem Dünkel ablehnen.
Warum nicht? Vielen Dank für die Stimme und dann: Ist es wichtig, gegen
nationale Matschbirnen eine gute Idee von Welthandel zu definieren. Was
wäre, wenn ein internationaler Gerichtshof sich nicht nur den Rechten von
Investoren widmen würde, sondern gleichrangig auch denen von Arbeitnehmern
und dem Schutz der Umwelt?
## Für die Industrie eine Horrovorstellung
Gerade unter Grünen, Linken und unter TTIP-Gegnern findet eine solche Idee
Anhänger. Dazu müsste die alte Vorstellung der einseitigen Schiedsgerichten
allerdings zunächst komplett im Transatlantik versenkt werden – und nicht
nur das Wörtchen privat.
Für die Industrie wäre das eine Horrovorstellung. Sie bestürmt derzeit die
Abgeordneten in Brüssel, Schiedsgerichte nicht auszuschließen.
BDI-Präsident Ulrich Grillo droht, die Parlamentarier würden sich ihrer
Gestaltungschancen selbst berauben, statt Investitionsschutz und die
Schiedsgerichtsbarkeit entscheidend zu reformieren.
Was zum Glück Stuss ist. Die Entscheidung des EU-Parlaments ist zwar nicht
bindend, allerdings muss es am Ende TTIP zustimmen. Sollte es also
Schiedsgerichte ausschließen, könnte die EU-Kommission nicht einfach mit
der Vorsilbe öffentlich durchkommen. Der Weg wäre offen für einen Neustart
und für ein echtes, transatlantisches Gericht, das die Rechte aller im
Blick hat. Es liegt an euch, Sozialdemokraten.
9 Jun 2015
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Schwerpunkt TTIP
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Sigmar Gabriel
Menschenrechte
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