# taz.de -- Kommentar Deutsche Bank: Chance vertan | |
> Der Führungswechsel bei der Deutschen Bank ist kein Neuanfang. John Cryan | |
> repräsentiert den gleichen Kurs wie seine Vorgänger. | |
Bild: John Cryan wird vermutlich nicht viel anders machen als seine Vorgänger. | |
Fast sieht es wie ein Sieg der Aktionärsdemokratie aus: Nachdem die | |
Investoren die Co-Chefs der Deutschen Bank auf der Hauptversammlung mit | |
einem vernichtenden Ergebnis von nur rund 60 Prozent entlasteten, haben die | |
Vorstandsvorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen mit einiger | |
Zeitverzögerung ihren Rücktritt angekündigt. Der Aufsichtsrat hätte nun die | |
Chance gehabt, mit der Neubesetzung eine Kurskorrektur vorzunehmen. Die hat | |
er nicht genutzt – und das zeigt, dass die von Kapitalmarktfans | |
vielgepriesene Aktionärsdemokratie mit wirklicher Durchsetzungsfähigkeit | |
wenig zu tun hat. | |
Denn die Aktionäre haben sich nicht nur gegen das Führungspersonal gewandt, | |
sondern gegen ein System, in dem die Aussicht auf schnelle hohe Gewinne die | |
Mittel heiligt – auch wenn sie illegal sind. Das dürfte bei den meisten | |
weniger mit moralischen Skrupeln zu tun haben als mit der Erkenntnis, dass | |
der Preis für permanente Regelverstöße auch für Giganten der Finanzbranche | |
einfach zu hoch ist. Stolze 8,7 Milliarden Euro hat die Deutsche Bank in | |
Fitschens und Jains Amtszeit an Strafen und Rechtskosten gezahlt. Das sind | |
auch für Deutschlands größtes Geldinstitut keine Peanuts. Tatort der | |
meisten Fehltritte ist die Investmentsparte, die Banker Jain repräsentiert. | |
Doch Jain wird keineswegs von einem Kritiker dieses Kurses abgelöst, im | |
Gegenteil. | |
Auch sein Nachfolger John Cryan repräsentiert diesen Kurs. Ohne | |
Strategiewechsel ist der Neustart keiner. Zu recht fürchten Beobachter, | |
dass der eingeschlagene Weg die größte deutsche Bank nicht nach vorn, | |
sondern abwärts führt. | |
Bei manchem und mancher werden die schlechten Aussichten für das | |
Flaggschiff des deutschen Kapitals Schadenfreude auslösen. Die Deutsche | |
Bank hat schließlich noch viel Schlimmeres auf dem Kerbholz als die in | |
jüngster Zeit bekannt gewordenen Fehltritte wie Markt- und | |
Leitzinsmanipulationen – von der Unterstützung des Apartheitsregimes in | |
Südafrika in der Vergangenheit über Agrarspekulationen und | |
Rüstungsgeschäfte bis zur Finanzierung umweltzerstörender und | |
klimakillender Großprojekte heute. Wird die Deutsche Bank übernommen – | |
pleite gehen wird sie sicher nicht – machen andere die fiesen Geschäfte. | |
Das wäre kein Grund, in das dann sicher einsetzende Gejammer über den | |
Bedeutungsverlust deutscher Finanzinstitute einzustimmen. Schöner aber | |
wäre, wenn das geschehen würde, woran kritische Aktionäre und | |
Nicht-Regierungsorganisationen schon lange arbeiten: Wenn die Deutsche Bank | |
sich um 180 Grad drehen würde und eine nachhaltige, | |
menschenrechtsorientierte Geschäftspolitik beginnen würde, die wenigstens | |
auf krasse Ausbeutung wie Kinderarbeit und Lohnsklaverei verzichtet. Die | |
Chance für diese Umkehr hat der Aufsichtsrat mit der Wahl von John Cryan | |
vertan. Leider mit den Stimmen der Arbeitnehmervertreter und der | |
Gewerkschaft Verdi. Schade. | |
8 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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