# taz.de -- Schuldenkrise in Griechenland: Pokern bis zum Schluss | |
> Griechenland verschiebt Zahlungen an den IWF auf Ende Juni. Die | |
> Sparvorschläge aus Athen und Europa gehen weit auseinander. | |
Bild: Die griechische Flagge. | |
ATHEN taz | Solidarität oder Konfrontation? Nach dem Nein aus Athen zum | |
Forderungskatalog der Gläubiger heizt sich die Stimmung nun auch in Brüssel | |
auf. Er habe „die Faxen dicke“, die griechische Regierung gehe ihm | |
zunehmend „auf die Nerven“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. | |
Der frustrierte SPD-Politiker ist allerdings nicht an den Verhandlungen mit | |
Premier Alexis Tsipras beteiligt, ganz im Gegensatz zu EU-Kommissionschef | |
Jean-Claude Juncker. Und der blieb seiner solidarischen Linie treu und ließ | |
Verständnis für Tsipras durchblicken. | |
„Wir arbeiten weiter an einer Lösung, Tag und Nacht. Ein Kompromiss ist | |
möglich“, sagte Junckers Sprecher, der Grieche Margaritis Schinas. Dass | |
Athen eine fällige Kredittranche von 300 Millionen Euro erst Ende Juni an | |
den Internationalen Währungsfonds IWF zurückzahlen will, sei kein | |
Beinbruch. „Das entspricht den IWF-Regeln und wurde auch schon vorher | |
genutzt.“ | |
## Nach Kompromissen suchen | |
Diese Entscheidung sorgt auch in Athen für Aufsehen. Noch am | |
Donnerstagnachmittag hatte die Regierung unmissverständlich das Gegenteil | |
behauptet. Griechische Europakorrespondenten berichteten, die EU sei | |
darüber erst im letzten Moment informiert werden. Bis zum 30. Juni werden | |
nun 1,6 Milliarden Euro an den IWF fällig. Zugleich müssen sich Athen und | |
die Geldgeber spätestens an diesem Tag über ein Sparprogramm geeinigt | |
haben, damit Griechenland einen dringend erwarteten neuen Kredit in Höhe | |
von 7,2 Milliarden Euro erhalten kann. Andernfalls droht die Pleite und ein | |
Ausscheiden aus dem Euro. | |
Die EU-Kommission setzt offenbar darauf, dass Tsipras mit dem | |
Zahlungsaufschub nur Zeit gewinnen will und nun aktiv nach Kompromissen | |
suchen wird. Bisher liegen die Positionen zwischen Griechenland und den | |
Gläubigern allerdings noch meilenweit auseinander. Der griechische | |
Wirtschaftsminister George Stathakis lehnte die europäischen Sparideen als | |
„inakzeptabel“ ab. Arbeitsminister Panos Skourletis sprach gar von einem | |
„unerklärten Krieg, der zwar nicht mit Waffen, dafür aber mit allen Mitteln | |
des Kapitalismus geführt wird“. | |
Tatsächlich sind die Gläubiger den Griechen entgegengekommen. So soll Athen | |
in diesem Jahr nur noch einen Primärüberschuss (vor dem Schuldendienst) von | |
einem Prozent erzielen (gegenüber bisher 3 Prozent). Doch im Gegenzug | |
fordern sie eine drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer, vor allem Strom, | |
Wasser und Telefon würden dadurch teurer. | |
## Ein Prozent der Wirtschaftsleistung | |
Zudem überschreiten die Gläubiger mehrere „rote Linien“ der griechischen | |
Linksregierung. So sollen auch kleine Renten gekürzt und die Frühverrentung | |
soll eingeschränkt werden. Insgesamt sollen Einsparungen in Höhe von einem | |
Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes erzielt werden. Zudem soll sich | |
die Regierung verpflichten, die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre | |
nicht zurückzudrehen und Massenentlassungen zu ermöglichen. Last but not | |
least werden weitere Privatisierungen gefordert, die auch noch | |
„irreversibel“ sein sollen. | |
Die konservative Athener Zeitung Kathimerini hat ausgerechnet, dass alle | |
diese Maßnahmen für die Griechen drei Milliarden Euro zusätzliche | |
Belastungen mit sich bringen würden. Allerdings enthält auch der | |
griechische Gegenvorschlag, den Tsipras aus dem Hut zauberte, neue | |
Belastungen. So will Athen bis 2020 rund elf Milliarden Euro durch | |
Privatisierungen einnehmen. Allerdings sollen die sozial- und | |
umweltverträglich ausfallen – und nicht auf Kosten der Arbeitnehmer, wie | |
bisher üblich. | |
Auch bei den Renten kommt Tsipras den Gläubigern entgegen. So soll es | |
künftig nicht mehr möglich sein, vor dem 62. Lebensjahr in Frührente zu | |
gehen. Bisher kommen manche Griechen schon mit 50 in den Genuss einer | |
Pension. Eine generelle Rentenkürzung lehnt Athen jedoch ebenso ab wie eine | |
massive Erhöhung der Mehrwertsteuer. | |
## Spekulationen über Neuwahlen | |
Um Geld in die klammen Kassen zu spülen, will Griechenland lieber eine | |
„Solidaritätssteuer“ einführen, die im laufenden Jahr 220 Millionen Euro | |
bringen soll. Eine Extrasteuer für Gewinne von Großunternehmen soll sogar | |
mehr als eine Milliarde Euro einspielen. | |
Angesichts der großen Differenzen zwischen Athen und Brüssel über ein | |
Sparprogramm verstärken sich in Griechenland Spekulationen über Neuwahlen. | |
Falls die Geldgeber Griechenland weiterhin wie eine Kolonie behandeln, gäbe | |
es Neuwahlen, sagte Sozialminister Dimitris Stratoulis. Gegenüber den | |
Gläubigern wäre bei Neuwahlen freilich nicht viel gewonnen. Doch ein | |
erneuter Wahlgang böte Tsipras die Chance, seine eigene Partei in Schach zu | |
halten und „unbequeme“ Abgeordnete von den Wahllisten zu entfernen. | |
Derzeit steht der Linkspremier auch in den eigenen Reihen unter | |
verschärfter Beobachtung. Vertreter des linken Flügels von Syriza lehnten | |
jede Kompromissbereitschaft gegenüber den Geldgebern ab und forderten die | |
Regierung dazu auf, mit dem Austritt aus dem Euro zu drohen. | |
5 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jannis Papadimitrou | |
Eric Bonse | |
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