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# taz.de -- Nachrichten via Smartwatch: Die Verdichtungsmaschine
> Journalisten bespielen jetzt auch vermeintlich intelligente Uhren mit
> ihren Nachrichten. Verändert das den Journalismus?
Bild: Die Twitter-Grenze ist Geschichte. Für die Smartwatch müssen Nachrichte…
Michael Reimann trägt seit gut zwei Wochen eine dieser neuen Uhren.
Erreicht sein Smartphone eine Neuigkeit, so poppt sie auch auf seiner Apple
Watch auf. Reimann spricht von einer ganzen „Benachrichtigungsorgie“, die
schon nach ein paar Tagen etwas mit ihm gemacht habe: „Früher, als die
Mitteilungen nur aufs Handy kamen, habe ich noch draufgetippt, um mehr zu
erfahren. Inzwischen reicht mir die Schlagzeile.“
Reimann ist nicht irgendein Nutzer, er ist Experte im doppelten Sinne –
Videoblogger beim [1][Apfeltalk], der vielleicht größten organisierten
Apple-Fangemeinde, und technischer Redakteur bei Radio Bremen. Er liebt
also neue Technik-Spielzeuge aus Cupertino und wirft stets auch einen
journalistischen Blick darauf. Und sogenannte Smartwatches, vermeintlich
intelligente Uhren, die es mit Googles Betriebssystem Android längst auch
von anderen Herstellern gibt, treiben seine Branche gerade besonders um.
Werden sie der neue heiße Scheiß bei Nachrichtenkonsumenten? „Nur weil es
diese Uhren gibt, wird sich nicht der Journalismus verändern“, sagt
Reimann. Eine Herausforderung sieht er allerdings: Schlagzeilen müssten
jetzt eben auch auf dieses Gerät passen.
## Eine neue Form der Komprimierung
Zuletzt galt Twitter mit seiner brutalen Platzbeschränkung als die
Verdichtungsmaschine schlechthin. Sie zwang sogar Politiker, Komplexes auf
den Punkt zu bringen. Smartwatches verlangen Autoren nun noch mal mehr
Disziplin ab. „Die 140-Zeichen-Grenze von Twitter ist Geschichte“, sagt der
Bremer Journalist. Jetzt sei eine Verknappung auf zirka 80 Zeichen
angesagt: „Wir brauchen eine neue Form der Komprimierung, die am Ende
vielleicht zu einem Boulevard-Slang führt.“ Es passe schließlich noch
einmal weniger Text in die Schlagzeile. „Ob ich das gut finde, kann ich
noch nicht sagen.“
Auch Matthias Streitz bringt den Journalismus auf die Smartwatch. Er ist
der Mann für Innovationen bei Spiegel Online. Als Apple sein neues
mutmaßliches Wundergerät auf den Markt brachte, war das Hamburger Portal
mit einer entsprechenden Erweiterung seiner Nachrichten-App da – wie so
mancher Mitbewerber.
Streitz selbst wartet noch auf seine Apple-Uhr, er trägt solange Android.
Für die App-Erweiterung auf der Smartwatch zählt er derweil tägliche Abrufe
„im vierstelligen Bereich“ – ein Anfang. „Der Markt hat sich noch nicht
wirklich gefunden“, sagt Streitz. Weil ein Auto-Hersteller zum Start
Werbung platzierte, habe sich die Entwicklung aber schon gerechnet.
## Geschichten in einem Satz
Bei Spiegel Online betreibt bislang allerdings noch niemand explizit so
etwas wie Smartwatchjournalismus. „Es lohnt sich im Moment nicht, jemanden
abzustellen, der Geschichten klug kompakt zusammenfasst“, sagt Streitz. Das
sei aber vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Die New York Times ließ verlauten, auf Handgelenkcomputern „Geschichten in
einem Satz“ erzählen zu wollen. Daran glaubt Streitz nicht. Für die Zukunft
denkt er vielmehr darüber nach, Nachrichtenjunkies die Möglichkeit zu
geben, aktuelle Entwicklungen individuell folgen zu können – ausgelöst mit
einem Tipp auf eine Meldung: „Dann setzen wir die vorherigen Meldungen
voraus und pushen den Leser über den Tag weiter.“
Dass es noch zu früh ist, ein kontinuierliches Angebot zu etablieren,
zeigen auch die ersten vagen Nutzungsdaten: „Auf der Apple Watch ist
zwischen 19 und 23 Uhr Primetime“, berichtet Streitz. Die Leute spielen
also nicht den ganzen Tag lang auf ihren Uhren herum, obwohl sie die Geräte
permanent tragen – bislang zumindest.
7 Jun 2015
## LINKS
[1] http://www.apfeltalk.de/community/
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
Smartwatch
Apple
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