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# taz.de -- Kolumne Trends und Demut: Selbstkontrolle am Handgelenk
> Die kürzlich vorgestellte Apple-Uhr erinnert an eine digitale Version des
> Pfeffersprays. Sie kann sogar Notruf. Vom Handgelenk rutscht sie auch
> nicht.
Bild: Bald retro? Das Lebensgefühl „Designuhr“ weicht wohl dem Lebensgefü…
In der Sonntagszeitung stieß ich auf eine Anzeige für ein Ortungssystem,
tragbar wie eine Uhr und ein angeblich schneller Helfer in Notlagen oder
bedrohlichen Situationen. Man drückt einfach einen Knopf und schon geht der
Notruf raus. Erinnert mich an die digitale, etwas besser organisierte
Version meines Pfeffersprays, das ich als ängstlicher Teenager immer
umklammert in der Hand hielt, wenn ich abends nach dem Kino nach Hause
ging. Ich musste es natürlich nie benutzen, doch schon das Gefühl, es zu
haben, beruhigte mich. Es ging um das physische Gerät, das einem irgendwie
erst die richtige Sicherheit gab.
Eine Freundin, die neben mir saß, als ich mich in die Anzeige für das
Rettungssystem am Handgelenk vertiefte, meinte, dass dieses Alarmarmband
ebenso wenig in unsere Zeit passe wie der tragbare Fitnesskontrolleur von
Nike und natürlich auch die neue Apple-Uhr. „Wir sind doch gerade dabei,
uns davon zu befreien, uns irgendetwas Fixes an den Leib zu schnallen?“
Zwar läge die wahre Befriedigung heute durchaus im fast reflexhaften,
permanenten Berühren, Betatschen, Bestreichen, Befummeln von Smartphones
oder Tablets, allerdings ohne die nervige „Last“ und Notwendigkeit, diese
ganzen Gadgets gleich an sich festschnallen zu müssen.
Eher gleiten wir, rutschen wir nur noch über Oberflächen mit dem Ziel,
immer schwereloser zu werden. Masse mache langsam und belaste, fand sie.
Und genau deshalb würde die Apple-Uhr auch nicht laufen. Ich sehe es
lustigerweise eher anders herum. Was, wenn all diese neuen, fest am Körper
sitzenden Geräte gerade das Reale, das Greifbare bewusst zelebrieren und
wiederentdecken? Denn am Ende des Tages kann man unsere luftige Dropbox mit
Leichtigkeit hacken, die externe Festplatte auf unserem Schreibtisch aber
eben nicht.
Tablets und Co. sind natürlich auch real, doch sie führen sich mit ihrer
albernen Nichtgreifbarkeit auf wie Kreuzungen aus Fliese und Hologramm: Ich
kenne keinen, dem sein iPhone oder Tablet vor lauter Aalglätte nicht schon
mal aus der Hand gerutscht und auf den Boden gekracht ist. Und gibt es
etwas Unfortschrittlicheres als einen zersplitterten Screen?
Auch könnte die Apple-Uhr funktionieren, weil man damit ein Tool hat, mit
dem man eine nerdige Stimmung aus Pseudo-FSK und nostalgischem
Yps-Heft-Fetisch schaffen kann. Und dafür werden sehr viele demnächst ihre
Rolex oder die Retro-Casio am Handgelenk zur Seite schieben, Lebensgefühl
„Designuhr“ weicht dem Lebensgefühl „Selbstdurchleuchtung“.
Der schönste Widerspruch: Man liefert und synchronisiert den lieben langen
Tag Daten rund um sich selbst, hat aber permanent den Eindruck, hier ginge
es endlich nur um die eigene, ehrliche Selbstkontrolle. So blind kann man
selbst durch Pfefferspray nicht werden.
23 Sep 2014
## AUTOREN
Julia Grosse
## TAGS
Apple
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