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# taz.de -- Filmstart „Die Frau in Gold“: Eine steht noch
> Simon Curtis‘ Film erzählt von einem Gemälde Klimts. Die rechtmäßige
> Besitzerin erhielt es erst nach langem Rechtsstreit von Österreich
> zurück.
Bild: Ryan Reynolds und Helen Mirren in „Die Frau in Gold“.
Merkwürdigerweise ist gar nicht die von Helen Mirren hinreißend verkörperte
Marie Altmann, die um das Klimt-Gemälde aus Familienbesitz streitet, die
Hauptfigur des Films „Die Frau in Gold“. Stattdessen rückt Randol
Schoenberg (Ryan Reynolds), ihr Anwalt, der ein Enkel Arnold Schönbergs
ist, ins Zentrum. Damit ist der Titel des Films doppelt codiert. Er fasst
einerseits die Tragödie einer Familie zusammen, die Schoenberg andererseits
zu Recht auch als Tragödie Österreichs sieht.
Als „Frau in Gold“ nämlich wurde das von den Nazis geraubte Porträt von
Adele Bloch-Bauer, das Gustav Klimt in der Tat üppig mit Blattgold belegt
hatte, noch in Kriegszeiten im Wiener Belvedere ausgestellt. Und danach
scheute die Republik Österreich nicht vor einer erpresserischen Nötigung
zurück und machte 1948 den Verzicht auf fünf Klimt-Gemälde, darunter das
Porträt von Marie Altmanns Tante, zur Bedingung für die Ausfuhrerlaubnis
des ansonsten restituierten Erbes.
Schließlich war das Bild unter eben diesem identitätvernichtenden Titel zur
„Mona Lisa Österreichs“ avanciert, wie der Journalist Hubertus Czernin
(Daniel Brühl) sagt, der Altmann und Schoenberg in ihrem Rückgabekampf
unterstützt.
Zum anderen benennt die „Die Frau in Gold“ den Ehrgeiz des jungen Anwalts
und die Geschichte von den 100 Millionen Dollar, die das Bild wenigstens
wert ist. Um die geht es Randy Schoenberg – und um die Chancen, die sich
ihm mit dieser Summe für seine Karriere und Familie eröffnen. Er will das
Gold der Adele Bloch-Bauer, und dafür riskiert er seinen völligen Bankrott.
## Unerwartete späte Gerechtigkeit
Diese Geschichte fasziniert nicht weniger als die von Schuld und später
Gerechtigkeit. Sie ist die Geschichte der Gegenwart, gegen die die
Geschichte der Vergangenheit steht. Schoenberg wird ihr nicht entkommen.
Es sind geradezu prophetische Worte, die Marie Altmann am Grab ihrer
Schwester spricht, obwohl sie sich nur mit einem Scherz verabschieden will.
Immer seien sie beste Freundinnen gewesen, aber auch Konkurrentinnen. Falls
also das Leben ein Wettrennen sei, hätte ihre Schwester sie geschlagen,
wäre es aber ein Boxkampf, dann wäre sie die Letzte, die noch steht. Und
damit, dass da noch jemand steht, sich nicht geschlagen gibt, rechneten die
Vertreter der österreichischen Institutionen nicht, als sie nach der
Washingtoner Erklärung wohl eher zu Zwecken der PR begannen, die
Restitutionsfrage neu aufzurollen.
Entsprechend arrogant begegnen Kulturministerien Elisabeth Gehrer und
Rudolf Wran, der Leiter der von ihr eingerichteten Rückgabekommission, und
ihr Justitiar Dreimann der Restitutionsanfrage der aus Los Angeles
angereisten Maria Altmann. In ihrer Geburtsstadt angekommen, erinnert sie
natürlich jede Ecke an ihr Aufwachsen inmitten einer Familie mit einem
gewissermaßen zweiten Elternpaar aus Onkel und Tante.
## Gerechtigkeit, nicht Gold
Es ist eine ergreifende Geschichte, auf die sie zurückblickt. Leider ist
die Filmerzählung von Regisseur Simon Curtis und Drehbuchautor Alexi Kaye
Campbell genau das nicht, und die Rückblenden kommen über gehobenes
deutsches Fernsehformat nicht hinaus.
Dramaturgisch raffinierter ist der Film dort, wo er sich in der Gegenwart
bewegt, ob in L. A., wo Schoenberg mit einer eigenen Kanzlei gescheitert
ist, in einer Großkanzlei anheuert, die er, „Die Frau in Gold“ im Auge,
wieder verlässt, oder Wien, wo die Stadt mit Plakaten für
Arnold-Schönberg-Konzerte gepflastert ist, sein Enkel aber von oben herab
abgefertigt und belogen wird.
Der Moment im Übrigen, in dem er begreift, dass auch ihn die Vergangenheit
seiner Familie beschäftigt, dass auch er sich Gerechtigkeit wünscht und
nicht nur Gold. Der Streit führt die Parteien bis vor den US Supreme Court,
der es für zulässig erklärt, dass Marie Altmann vor einem kalifornischen
Gericht Klage gegen die Republik Österreich anstrengen möchte. In Folge
dieses Urteils befürchtete Österreich eine Klagewelle aus den USA und
stimmte einem Schiedsgerichtsverfahren zu. Und weil sich in Österreich doch
etwas bewegt hatte, verfügte das Schiedsgericht 2005 bekanntlich die
Herausgabe der Gemälde an die Erben.
3 Jun 2015
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
## TAGS
NS-Raubkunst
Österreich
Museumsinsel
Adele
Raubkunst
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