# taz.de -- Kommentar Griechenlandgipfel Berlin: Die unbeliebte Rolle der Buhfr… | |
> Die Differenzen zwischen Griechenlands Gläubigern sind groß. Dennoch | |
> dürfte es einen Kompromiss geben. Denn für Merkel gilt das Primat der | |
> Politik. | |
Bild: Hat‘s nicht leicht in Griechenland: Angela Merkel mit Micky-Mouse-Ohren. | |
Der griechische Premier Alexis Tsipras hat einen taktischen Sieg errungen: | |
Die Krise seines Landes wird jetzt auf höchster Ebene verhandelt. [1][Am | |
Montagabend traf sich eine illustre Runde im Kanzleramt], um einen | |
Kompromissvorschlag für Athen auszuarbeiten. Zugegen waren | |
EU-Kommissionspräsident Juncker, IWF-Chefin Lagarde, EZB-Präsident Draghi, | |
der französische Präsident Hollande sowie Kanzlerin Merkel. | |
Diese Runde spiegelt die realen Machtverhältnisse in Europa: Es führt | |
wieder das alte Duo Frankreich und Deutschland, während Eurogruppen-Chef | |
Dijsselbloem fehlte. Der Niederländer ist zwar bisher nur durch | |
undiplomatische Unfähigkeit aufgefallen, dennoch ist es ein markantes | |
Zeichen, dass die kleineren Euroländer nicht repräsentiert waren. | |
Dieses Treffen sollte Einigkeit demonstrieren, doch tatsächlich ging es um | |
die Differenzen, die die Gläubiger spalten. Der IWF fordert weitere harte | |
Reformen bei den griechischen Löhnen, Renten und der Mehrwertsteuer – | |
während Juncker bereit wäre, Athen entgegenzukommen. Auch Merkel lässt | |
erkennen, dass Kompromisse denkbar sind. | |
Diese Differenzen zwischen den Gläubigern sind bemerkenswert, denn | |
ökonomisch stimmen sie eigentlich überein. Ob Juncker, Hollande oder | |
Merkel: Sie sind allesamt überzeugt, dass Griechenland seinen Haushalt „in | |
Ordnung bringen“ muss. Sie finden nichts dabei, immer neue Sparauflagen zu | |
beschließen, obwohl die griechischen Staatsausgaben schon um 30 Prozent | |
zusammengekürzt wurden. | |
## Gibt es eben einen Grexit. Auch gut | |
Der IWF hat mit dieser harten Linie kein Problem, denn diese Behörde setzt | |
sich aus fest angestellten Technokraten zusammen. Falls sich die Griechen | |
dem Diktat nicht unterwerfen, gibt es eben einen „Grexit“. Auch gut. | |
Doch für Hollande und Merkel gilt das Primat der Politik. Was sie | |
ökonomisch glauben, ist letztlich egal. Stattdessen muss bei jeder Maßnahme | |
kalkuliert werden, wie viele Stimmen sie am Ende kosten könnte. Und aus | |
dieser Perspektive ist der „Grexit“ ein unkalkulierbares Risiko – | |
kurzfristig wie langfristig. | |
Kurzfristig wäre zu befürchten, dass Griechenland selbst lebenswichtige | |
Importe nicht mehr bezahlen kann, wenn es zu einer schwachen Drachme | |
zurückkehrt. Medikamente, Nahrungsmittel und Benzin würden zur überteuerten | |
Mangelware. Die Not der Griechen würde aber nicht Tsipras angelastet – | |
sondern den übermächtigen Deutschen. Merkel wäre auf die Dauerrolle als | |
Buhfrau abonniert. Auch international würde ihr Ruf dramatisch leiden, denn | |
die USA verstehen schon jetzt nicht mehr, warum die Deutschen so wenig | |
konziliant sind. | |
## EU-Granden | |
Langfristig ist ein „Grexit“ ebenfalls kaum zu kalkulieren, denn die | |
EU-Granden haben mit einem Paradox zu kämpfen: Nach anfänglichem Chaos | |
könnten die Griechen zu erfolgreich sein. Auf Dauer könnte es ihnen mit der | |
Drachme besser gehen als jetzt in der Eurozone, weil sie sich nicht mehr | |
sinnlosen Spardiktaten beugen müssten. Gut gelaunte Drachme-Griechen würden | |
aber auch andere Krisenländer animieren, über einen Austritt aus der | |
Eurozone nachzudenken. | |
Tsipras dürfte also einen Kompromiss bekommen, der seine Partei nicht | |
spaltet und einen Staatsbankrott vermeidet. Dies wäre aber nur ein | |
taktischer Erfolg – mehr nicht. Denn die Aufregung rund um einen möglichen | |
„Grexit“ vernebelt, dass die Eurogruppe noch eine andere, sehr bequeme | |
Waffe hat: Die jetzige Hängepartie lässt sich beliebig fortsetzen. Bei | |
jeder Kredittranche würde wieder gefeilscht, um den Griechen weitere | |
Sparmaßnahmen abzuringen. | |
Wenn die Griechen nicht einwilligen – macht nichts, auch geschenkt. Allein | |
die Hängepartie schadet ihnen. Niemand investiert, solange Unsicherheit | |
herrscht. Aber dies ist reine Psychologie und schwer zu greifen. Merkel | |
könnte sich als Kanzlerin inszenieren, die immer das Gespräch gesucht hat. | |
Und Tsipras würde irgendwann als jener griechische Premier dastehen, der | |
die Dauerkrise in seinem Land nicht beendet, sondern verschärft hat. | |
Taktisch ist Tsipras gut, aber auf diese strategische Gefahr hat er bisher | |
keine Antwort. | |
2 Jun 2015 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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