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# taz.de -- Die Wahrheit: Germany‘s next Topfmodel
> Aus dem Tagebuch eines botanisch über jede Gebühr Verzweifelten:
> Flowerpower revisited. (Teil 3)
Was bisher geschah: Teil I: Zimmerpflanzen außer Rand und Band, neu
angeschaffte Venusfliegenfalle führt zu Rebellion der Altpflanzen,
verunglückte Schlichtung durch Mediator schweißt alle zusammen. Teil II:
Veganes Ernährungsexperiment der Venusfliegenfalle scheitert, dafür fallen
Ficus-Verwandte aus Malaysia ein.
6. Januar
Gummibaum aus Reha zurück. Strotzt vor Gesundheit. Allerdings neue
Umgangsformen: führt allmorgendliches obligatorisches Händeschütteln ein.
Kichern der Begonien, amüsierte Bemerkungen der Kakteen. Venusfliegenfalle
beschwichtigend: „Gibt sich ganz bestimmt wieder.“
9. Januar
Von wegen. Beschwerde der Usambaraveilchen über Gummibaum: Sollen jetzt
jeden Morgen zum Frühsport antreten! Kniebeugen, Klappmesser, Rumpfbeugen
und dergleichen. Gummibaum spiele sich als Sportcoach auf. Mit
Trillerpfeife! Baum zur Rede gestellt. Sein Argument: Das sei doch gesund
für alle. Untersage das Treiben mit Hinweis auf Selbstbestimmungsrecht.
10. Januar
Neue Aufregung: Eine der Begonien will als Model entdeckt worden sein.
Ficus habe in seinem Blog (aha?) mit Smartphone Selfie gepostet, Begonie
mit strahlendem Lächeln im Hintergrund; sieht schon glanzvolle Karriere mit
Anfragen von Modelagenturen aus ganz Europa vor sich. Wers glaubt …
12. Januar
Gummibaum mit neuem Vorschlag: Anschaffung von Hula-Hoop-Reifen für die
ganze Mannschaft. „Leichte Übungen zur Musik, das bringt doch Spaß“, setzt
er nach. Selbsternanntes Begonienmodel faselt was von Fitnessvideos. Die
jetzt auch noch. Allgemeines Augenrollen. Beleidigter Rückzug des
Gummibaums. Er habe es ja nur gut gemeint. Begonie will Deal mit Ficus
wegen Videos.
13. Januar
Äußerst aufgeladene Stimmung im Wohnzimmer. Begoniendiva nur noch vor dem
Spiegel. Aber harmlos. Dafür Tatendrang des Gummibaums kaum zu bändigen.
Mitpflanzen extrem genervt. Alternatives Betätigungsfeld muss her.
Vielleicht Mithilfe bei Wohnungsrenovierung? Flur könnte neuen Anstrich
gebrauchen. Empörtes Schnauben des Gummibaums: Das sei ja wohl weit unter
seinem Niveau.
15. Januar
Kakteen zunächst begeistert über neuen Gummibaum-Vorschlag: Kneippen für
alle. Aufgeklärt, dass das nichts mit Kneipenbesuch zu tun hat. Kakteen
konsterniert. Vorstellung von täglich eiskaltem Wasser vor dem Frühstück
lässt allgemeinen Tumult ausbrechen. Erste Erdbröckchen fliegen, alle reden
durcheinander. Gummibaum wird endgültig zum Verräter erklärt. Pflanze zur
Sicherheit aus dem Zimmer geschafft. Begonienmodel klagt über zerknickte
Frisur. „Du hast Probleme“, keifen Usambaras. „Kreist nur um dich selber!…
Beleidigte Tränen.
16. Januar
Begonie seit heute Morgen von zwei breitschultrigen Kakteen flankiert:
„Bodyguards“. Man sei in diesem Hause als Promi ja nicht mehr sicher.
Kichern der Usambaras. Abfällige Blicke der selbsternannten Prominenten:
Beneiden hieße Unterlegenheit bekennen. Angeblich Zitat einer französischen
Schriftstellerin aus dem 18. Jahrhundert. (Von Venusfliegenfalle später
bestätigt.) Egal. Der reinste Kindergarten. Gummibaum derweil unzufrieden
im Flur: „Zu langweilig.“ Liegestütze als Ablenkung empfohlen.
17. Januar
Grässlich: Gummibaum zählt jeden Liegestütz demonstrativ laut mit.
Genervtes Klopfen vom unteren Nachbarn. Mit Balkon gedroht. Gummibaum
schlagartig ruhig. Sofort schlechtes Gewissen: Schwarze Pädagogik?
Gummibaum jetzt für immer demotiviert? Mit Venusfliegenfalle über
Alternativen gegrübelt: Boxsack? Gymnastikband? Verweis der
Venusfliegenfalle auf missionarischen Eifer des Gummibaums: will andere
begeistern und mitreißen. Länger Frage nach narzisstischer Motivation
diskutiert.
20. Januar
Apropos Narzissmus: neuer Aufruhr im Wohnzimmer; Beschwerde der Usambaras
über Zickenterror der Modelbegonie. Madame prahle mit angeblicher Bewerbung
bei „Germanys Next Topfmodel“. Ständiges Gequatsche von Sedcards, Stylisten
und Fototerminen raube Mitpflanzen außerdem Ruhe und Schlaf. Feindselige
Stimmung. Bodyguards scannen Raum auf Bedrohungen. Können die das nicht
unter sich ausmachen? Ist doch eh nur Gerede.
22. Januar
Türklingeln. In Strickjacke und Jogginghose hingeschlurft. Ups: ein Tross
mit Kameras, Kabeln und anderem technischen Zeug. Ob hier eine „Beggy“
wohne? Man sei wegen der „Homestory“ da. Komplette Verwirrung. Dann dämmert
mir was. Etwa „Germanys Next Topfmodel“? Nicken, Kameraleute schieben sich
durch die Tür. Resigniert den Weg gewiesen. Ungläubige Blicke mit Gummibaum
getauscht. Wohnung in kürzester Zeit zum Studio umfunktioniert. Kameras,
verschiedenfarbige Übertöpfe, Buddhafiguren (!), Räucherstäbchen, indische
Musik. Kriege den Mund nicht zu.
Begonie sonnt sich derweil in Aufmerksamkeit, strahlt, plappert,
gestikuliert, dreht sich, lächelt von hier bis dort. Fassungsloses Staunen
aller anderen. Zu Venusfliegenfalle in die Küche geflüchtet. Auch die wie
vor den Kopf geschlagen. Erst mal Schnaps gekippt. Jäher Aufschrei des
Gummibaums: Von umherwirbelndem Equipment getroffen. Baum in die Küche
geschleppt. Unversehens Mikro vor der Nase: Ob ich es schon länger gewusst
habe. Was denn? Dass sich bei mir zu Hause so ein einzigartiges Talent
verberge. Kurz gestutzt, dann hysterisches Gelächter. Venusfliegenfalle und
Gummibaum angesteckt: unkontrollierbares Gejohle. Interview-Praktikantin
verlässt kopfschüttelnd die Küche. Weitere Lachsalven. Am Boden gewälzt.
Bauchschmerzen. Plötzlich energisches Klopfen. Aufnahmeleiterin kommt mit
Begonie hereingestratzt. Ernst. Sehr ernst. Rasch aufgesetzt, Haare aus
verschwitztem Gesicht gestrichen. Sie wolle sich verabschieden, sie fahre
jetzt mit ins Modelcamp.
Was? Sie würde sich freuen, wenn wir sie unterstützten. Begreife erst jetzt
Ernst der Lage und erhebe mich. Dann wünschten wir ihr alles Gute.
Beifälliges Nicken und Gemurmel von Gummibaum und Venusfliegenfalle. Wann
sie denn zurück sei? In ein bis drei Monaten, je nachdem, wie weit sie im
Casting käme. Aufnahmeleiterin überreicht mir Visitenkarte. Falls was sei.
Ungläubiger Abschied.
23. Januar
Katerstimmung. Wohnzimmer ein Trümmerfeld: Möbel, Bücher und CDs
durcheinander, überall Erdkrümel. Trotz bleierner Müdigkeit zum Aufräumen
überwunden. Anhaltendes, nachdenkliches Schweigen aller Pflanzen. Manche
offenbar noch immer unter Schock, vielleicht sogar traumatisiert? Mit
Venusfliegenfalle beratschlagt: Was jetzt? Weitermachen, als sei nichts
geschehen? Einzelgespräche nötig? Gar Therapie?
24. Januar
Räuspern, dann zaghafter Vorschlag des Gummibaums: Er wolle nicht nerven,
aber leichte sportliche Betätigung könne helfen, traumatische Erlebnisse zu
verarbeiten. Zweifel. Vorschlag dennoch im Plenum diskutiert. Überraschend:
87,5 Prozent dafür. Nur arbeitslose Ex-Bodyguards schmollen noch. Kann es
ihnen nicht verdenken.
29 May 2015
## AUTOREN
Tanja Küddelsmann
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Unrecht, wie dieses Tagebuch einer botanisch Verzweifelten zeigt.
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