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# taz.de -- Umgang mit Flüchtlingen in der EU: Mal Zukunft, mal Belastung
> EU-Staaten gehen sehr unterschiedlich mit Flüchtlingen um. Schweden freut
> sich, Polen sträubt sich. Zwei Beispiele.
Bild: Tschetschenischer Junge in Polen.
## Gleich willkommen: Schweden
„Wir nehmen gerne mehr Flüchtlinge auf“, berichtet Per Åhdén, Sozialchef
von Skellefteå am Mittwoch in einem Rundfunkinterview. Die nordschwedische
Stadt möchte in den nächsten 15 Jahren um einige Tausend auf 80.000
EinwohnerInnen wachsen und versucht vor allem minderjährige Flüchtlinge
über ein Langzeitprogramm an den Ort zu binden und ihnen hier eine Zukunft
anzubieten. „Und man fühlt sich wirklich gleich willkommen“, bestätigt der
17-jährige Zakariya Jasdani in der gleichen Reportage. Er kam vor 2 Jahren
hierher.
Schweden hat im vergangenen Jahr knapp 82.000 Asylsuchende aufgenommen – in
Relation zur Bevölkerung so viel wie kein anderes EU-Land. In diesem Jahr
werden über 100.000 Flüchtlinge erwartet, die meisten aus Syrien und
Eritrea. Für die große Mehrzahl der 9,7 Millionen SchwedInnen geht das
völlig in Ordnung. Laut dem letzten „Eurobarometer“ der EU-Kommission sehen
72 Prozent MigrantInnen aus nichteuropäischen Ländern positiv – solche aus
der EU zu 82 Prozent.
Kein Land der Union kann auch nur annähernd vergleichbare Werte aufweisen.
Die für Deutschland liegen etwa bei 29 beziehungsweise 50 Prozent und damit
noch unter dem EU-Schnitt.
Unproblematisch ist so ein massiver Flüchtlingszustrom auch für Schweden
nicht. Unterkünfte werden knapp, die Behörden sind überfordert und die
Bearbeitung neuer Asylanträge beträgt mittlerweile mehrere Monate. Bei
Weitem nicht alles ist ideal, sagt Ali Esbati, Parlamentarier der
Linkspartei, der 1986 aus dem Iran kam: Es gebe Rassismus und rassistische
Gewalt, aber es gebe eben auch eine starke antirassistische Bewegung, viel
mitmenschliche Hilfe und eine „anständige Debatte“: Flüchtlinge würden
nicht ständig als Problem gesehen, sondern als Menschen, die zur Zukunft
Schwedens beitragen.
Nicht attraktiv: Polen
Geht es nach der EU-Kommission, dann soll das Mitgliedsland Polen in den
nächsten zwei Jahren rund 2.600 Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea
aufnehmen. Bei einer Bevölkerung von knapp 38 Millionen Menschen, stetem
Wachstum und sinkender Arbeitslosigkeit scheint das keine allzu große
Belastung zu sein. Trotzdem lehnte die Regierung in Warschau jedes
Hilfeersuchen aus Brüssel vehement ab.
Dabei haben in der kommunistischen Zeit Millionen Polen Schutz und Aufnahme
in anderen Ländern gefunden. Inzwischen sagte Premier Ewa Kopacz immerhin
zu, dass 60 christliche Familien aus Syrien aufgenommen werden.
Hintergrund: Miriam Shaded, Tochter einer Polin und eines syrischen
Pastors, gründete die Stiftung Estera, um verfolgten oder bedrohten Syrern
eine Zuflucht zu bieten. Sie hat Privatunterkünfte für 1.500 Menschen
gefunden – und genug Geld für deren Integration.
Obwohl die Zahl der Asylbewerber in Polen ständig steigt, werden nur wenige
anerkannt – vor allem weil viele Flüchtlinge sich zwar registrieren lassen
müssen, wenn sie an der Grenze oder auf der Straße kontrolliert werden,
sich aber dann auf den Weg weiter gen Westen machen.
Dass Polen für Asylsuchende so unattraktiv ist, liegt am niedrigen
Lebensstandard, mehr aber noch an der schlechten Gesundheitsversorgung und
der nur mäßig funktionierenden Integration. Daher schaffen es immer wieder
Asylbewerber von Polen nach Deutschland, leben dort ein halbes Jahr, werden
abgeschoben – um dann wieder nach Wesen zu reisen.
Ukrainer hingegen flüchten seit dem russisch-ukrainischen Krieg zu
Tausenden nach Polen. Manche wollen irgendwann zurück, manche für immer
bleiben. Doch die meisten melden sich erst gar nicht als Flüchtlinge,
sondern suchen sofort Arbeit und Unterkunft.
28 May 2015
## AUTOREN
Reinhard Wolff
Gabriele Lesser
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Polen
Integrationspolitik
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Frontex
Integration
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Rohingya
Folter
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