# taz.de -- Kämpfe in Libyen: Ministerpräsident überlebt Attentat | |
> Seit Monaten versinkt Libyen im Chaos, Kämpfe sind an der Tagesordnung | |
> und das Land ist durch zwei Regierungen geteilt. | |
Bild: Abdullah al-Thinni (re.) zu Gast im Weißen Haus letzten August. Links US… | |
BENGASI ap | Attentäter haben nach Angaben der international anerkannten | |
libyschen Regierung versucht, Ministerpräsident Abdullah al-Thinni zu | |
ermorden. Dies teilte Regierungssprecher Arisch Said mit. Der Konvoi des | |
Ministerpräsidenten sei auf dem Weg zum Flughafen der Stadt Tobruk | |
angegriffen worden. Ein Leibwächter sei leicht verletzt worden, Tote gebe | |
es nicht. Die Angreifer konnten fliehen. | |
Vor der Attacke hätten bewaffnete Männer bereits versucht, das Parlament in | |
Tobruk zu stürmen, sagte Said. Sie hätten in die Luft geschossen, | |
al-Thinnis Rücktritt gefordert und mit dessen Ermordung gedroht. Die | |
Sitzung des Parlaments sei bis kommende Woche vertagt worden. | |
Die gewaltbereiten Männern würden von „korrupten politischen Financiers“ | |
unterstützt, die mächtigen Stammesführern in Tobruk nahestünden, teilte der | |
Sprecher weiter mit. Details zu den Vorwürfen nannte er nicht. | |
Doch hatte sich vor dem versuchten Attentat ein Führer des in Tobruk | |
einflussreichen Obiedi-Stammes, Fardsch Abu Alchatabia, mit Drohungen gegen | |
al-Thinni zu Wort gemeldet. „Dieser Ministerpräsident muss zurücktreten, | |
wenn er das nicht tut, werde ich ihm den Kopf eintreten“, sagte er. | |
## Regierung und Gegenregierung | |
Nach Jahren des politischen Chaos ist Libyen faktisch geteilt und hat zwei | |
Regierungen und zwei Parlamente. Die international anerkannte Regierung um | |
al-Thinni hat die Hauptstadt Tripolis verlassen und operiert vom Osten des | |
Landes aus. In Tripolis herrscht eine Gegenregierung, die sich auf die | |
Unterstützung islamistischer Milizen stützt. Im Land sind zudem Extremisten | |
aktiv, darunter Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat. Nach | |
UN-Schätzungen soll der IS über 2000 Kämpfer in Libyen verfügen. | |
Erst am Dienstag hatte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch | |
wegen Kämpfen in der Stadt Bengasi Alarm geschlagen: Milizen und | |
Armee-Einheiten hätten die Stadt umzingelt und einige Hundert Menschen | |
seien dort gefangen. Darunter seien neben Libyern auch Syrer, Palästinenser | |
sowie Menschen aus Asien und Afrika. Human Rights Watch drängte die | |
libysche Armee wie auch die Aufständischen, die Menschen ohne Bedingungen | |
freizulassen und ihnen Zugang zu dringend benötigter Hilfe zu gewähren. | |
Der UN-Sondergesandte Bernardino Leon bemüht sich seit Monaten um eine | |
Schlichtung zwischen den rivalisierenden Regierungen und um eine Befriedung | |
des nordafrikanischen Landes. Zuletzt hatte Leon erklärt, er hoffe auf eine | |
Einigung bis Mitte Juni, wenn die muslimische Fastenzeit beginnt. | |
Ausgangspunkt der Wirren war der Sturz des langjährigen Machthabers Muammar | |
al-Gaddafi 2011. Danach brach die staatliche Ordnung weitgehend zusammen. | |
Europa sieht dies mit Sorge, weil Libyen Operationsbasis für | |
Schlepperbanden ist, die Flüchtlinge auf klapprigen Booten in Richtung | |
Europa schicken. | |
27 May 2015 | |
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