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# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Das gute Leben da unten
> Erst tränenreiche Abstiege machen Fußballvereine attraktiv. Die Ästhetik
> der Scheiterns ist es, die Klubs stark und interessant macht.
Bild: Nach dem Abstieg des 1. FC Köln 2012: Fans, die das „Leben da unten“…
Yippieh, es wird wieder abgestiegen. Fans aus Paderborn oder Hamburg, aus
Stuttgart oder Freiburg, aus Hannover oder Berlin werden sich heute am
frühen Abend vor Mannschaftsbusse hocken, um den abfahrbereiten Insassen
schluchzend vorzuwerfen, diese hätten sich nicht genug angestrengt. Daher
gehe jetzt die Welt unter – oder zumindest die Region.
Yes! Sie geht unter! Und wenn Busbesatzung und Busbelagerer nicht allzu
viel falsch machen, geht sie in ein oder zwei oder drei Jahren wieder auf.
Im Fußball steckt bekanntlich das ganze schöne Scheißleben, das auf diesem
Planeten zu führen ist. Und das hält nicht zuletzt diese Botschaft bereit,
die nicht nur aus der breitgefächerten Ratgeberliteratur in
Bahnhofsbuchhandlungen bekannt ist: die Krise als Chance! Niederlagen
machen nicht nur stark, sondern auch interessant.
Was in linken Kreisen gerne die Ästhetik des Widerstands genannt wird, gibt
es auch als Schönheit des Scheiterns. Fans, die nicht ganz stulle sind,
auch wenn sie, sagen wir: dem Hamburger SV oder dem VfB Stuttgart zugeneigt
sind, sollten sich also bei ihren Absteigern im Mannschaftsbus bedanken.
Sie erst ermöglichen doch den Wiederaufstieg, die gestärkte und geläuterte
Rückkehr in die oberen Regionen.
Die Stuttgarter können sich vielleicht sogar erinnern: Auf den Abstieg 1975
folgte 1977 der Wiederaufstieg und dem folgend diese Platzierungen in der
Bundesliga: vier, zwei, drei, drei. 1984 war der VfB dann sogar Meister. An
eine ähnliche Entwicklung darf man bei Werder Bremen zurückdenken: 1980
Abstieg, 1981 Wiederaufstieg, folgende Platzierungen: fünf, zwei, fünf,
zwei, zwei, fünf, um dann, 1988, endlich Meister zu werden. Ha!
Die Alternative zum schönen Scheitern, zur Größe, die nur durch
vorhergegangene Niederlagen möglich wurde, ist die des Klassenstrebers: hat
immer und überall eine Eins und winselt vergeblich um Mitleid, wenn mal
eine Zwei auf dem Zeugnis steht. Ins Fußballerische übersetzt: Das könnte
ein Klub sein, der, sagen wir, seit 1965 in der Ersten Liga spielt, ja
dessen schlechteste Platzierung, zehnter Rang, schon über 20 Jahre
zurückliegt.
## Jammern, wenn's kein Triple wird
So etwas ist langweilig, jammert schon, wenn es ausnahmsweise kein Triple
wird, kann sich nicht mal über eine Meisterschaft freuen und heißt Bayern
München. Aus Opportunismus spricht man ja hierzulande, wenn es um den FC
Bayern geht, vom deutschen Rekordmeister; in der DDR-Oberliga hat man ein
sehr ähnliches Phänomen in weinroten Trikots, den BFC Dynamo, abschätzig
als Abonnementmeister gehandelt. Dessen – also des BFCs, nicht des FCBs –
Stabilität nach zehn Meisterschaften in Folge war so labberig, dass 1989
sein Untergang eingeläutet wurde.
Der wartet auf den FCB derzeit nicht. Doch wer nicht krisengestählt ist,
bricht schneller zusammen. Dann kündigen die Herren Weltklassestürmer und
der Herr Weltklassetrainer, dann ziehen sich die Weltmarken als Sponsoren
zurück, Verbindlichkeiten werden fällig, und womöglich landet der Präsident
noch im Knast.
Dabei könnten sich die Bayern schon im eigenen Stadion angucken, dass in
einer beschissenen Saison auch eine Chance steckt. Der TSV 1860 München,
schon deswegen regional beliebter, weil in ihm alles steckt, was Vereine
oder Menschen, Parteien oder Bewegungen groß macht, lebt auch in diesem
Jahr vor, wie gut das Leben unten ist. Abstieg ist möglich.
22 May 2015
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Fußball
Abstieg
Scheitern
Krise
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