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# taz.de -- Pro und Contra: Der Streit um den Streik
> Der Kita-Streik geht in die dritte Woche. Sind die Forderungen
> berechtigt? Darüber streiten Kita-Chefin Katja Nienaber und
> Gewerkschafterin Hilke Stein.
Bild: Dann bleibt die Kita eben zu: Streikende Erzieherinnen demonstrieren für…
## "Eine zu scharfe Maßnahme"
Leidtragende des Kita-Streiks sind die Eltern und somit auch die Kinder.
Viele Eltern bekommen Schwierigkeiten mit ihren Arbeitgebern. Es wird also
der Wunsch nach mehr Gehalt auf dem Rücken der Eltern ausgetragen. Wir als
Träger mit rund 200 Kitas und Einrichtungen der Nachmittagsbetreuung an
Schulen in Hamburg halten ob der unrealistischen Forderungen der
Gewerkschaften diese Belastung für die Eltern nicht für gerechtfertigt.
Generell ist der Wunsch nach einem höheren Lohn ein verständlicher Wunsch
eines jeden Mitarbeiters. Aber über zehn Prozent mehr Gehalt zu fordern,
wie die Gewerkschaften es derzeit tun, ist wirklichkeitsfremd, und das
wissen die Gewerkschaften genau. Sie haben Forderungen gestellt, die das
Lohngefüge im öffentlichen Dienst verändern und den Erziehungsdienst
gegenüber Berufsgruppen mit vergleichbaren Ausbildungsniveaus begünstigen
würden.
Die Verhandlungen wurden von Beginn an von Warnstreiks begleitet. Bereits
nach fünf Tagen erklärte Ver.di die Verhandlungen für gescheitert und rief
zu einem unbefristeten Erzwingungsstreik auf. Wir können einen Willen der
Gewerkschaften, über Vorschläge der Arbeitgeber nachzudenken, nicht
erkennen. Daher sind die drei Warnstreiks und der jetzige unbefristete
Erzwingungsstreik aus unserer Sicht eine zu scharfe Maßnahme. Ver.di-Chef
Frank Bsirske hat bereits im vergangenen Jahr eine große Streikwelle
angekündigt - ein strategisch geplanter Mangel an Verhandlungswillen zu
Lasten der Eltern?
Um die Öffentlichkeit für ihre Forderungen einzunehmen, sprechen die
Gewerkschaften von einer unfairen Bezahlung. Bei den Elbkindern, bei denen
rund zwei Drittel der streikenden ErzieherInnen in Hamburg arbeiten,
verdient eine ErzieherIn als BerufsanfängerIn in Vollzeit derzeit 2.478
Euro brutto monatlich. Mit zunehmender Berufserfahrung steigt das Gehalt
automatisch auf bis zu 3.319 Euro brutto monatlich an.
Hinzu kommen eine Jahressonderzahlung, eine leistungsorientierte Bezahlung,
eine betriebliche Altersversorgung sowie 30 Tage Urlaub. Hamburg liegt mit
seinem "regionalen öffentlichen Dienst Tarif" über dem Bundesdurchschnitt.
Trotzdem werden zum großen Teil Hamburger Kita-Träger bestreikt. Und für
Hamburg wird derzeit gar nicht verhandelt.
Dabei unterliegt die Stadt Hamburg wie auch andere Kommunen finanziellen
Restriktionen wie der Schuldenbremse. Angesichts dieser Wirklichkeit
sollten die Gewerkschaften ihre Forderungen mäßigen. Wir finden, dass
Kompromisse nur auf dem Verhandlungswege erreicht werden können. Deshalb
wünschen wir uns als Kita-Träger, dass die Gewerkschaften an den
Verhandlungstisch zurückkehren. KATJA NIENABER
## "Warme Worte reichen nicht"
Wir sind "Richtig gut. - Richtig was wert". Unter diesem Motto streiken
seit Tagen Tausende Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Dies
könnten auch die Arbeitgeber unterschreiben. Doch oft bleibt es bei warmen
Worten, wenn aus Lippenbekenntnissen Taten werden sollen.
So formulierte der kommunale Arbeitgeberverband (VKA) in einem Mustertext
für die Kommunen: "Die Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes
leisten in allen Bereichen wichtige und unverzichtbare Arbeit für unsere
Gesellschaft." Auch die Regierung gab ein klares Bekenntnis ab. Die
Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen sei "nicht zu akzeptieren",
schrieben CDU und SPD in ihren Koalitionsvertrag. Berufsfelder, Kompetenzen
und Erfahrungen sollten gemeinsam mit den Tarifpartnern neu bewertet
werden. Ziel sei, "die Arbeit in der Pflege, Betreuung und frühkindlicher
Bildung weiter aufzuwerten".
Verbale Anerkennung tut gut - aber sie reicht den Beschäftigten im Sozial-
und Erziehungsdienst, in Kindertagesstätten und Einrichtungen der
Eingliederungshilfe, in Flüchtlingsunterkünften und
Behinderteneinrichtungen nicht mehr aus. Was ein Beruf wert ist, bemisst
sich nicht nur an schönen Worten, sondern auch an der Bezahlung.
Die Anforderungen an soziale Arbeit haben sich stark verändert:
frühkindliche Bildung und Inklusion sind nur einige Stichworte. Früher
stand die Betreuung im Vordergrund, heute geht es um Fördern und Fordern,
um das Erkennen und Entwickeln von Potenzialen. Beschäftigte im Sozial- und
Erziehungsdienst sind heute gut ausgebildete und hochqualifizierte
Fachleute - Beziehungsprofis.
Aber diese Qualifikationen müssen auch gut bezahlt werden. Eine Erzieherin
hat heute eine fünfjährige Ausbildungszeit hinter sich - unbezahlt. Ein
Ausbildungsniveau, das mit dem von Technikern vergleichbar ist, in der
Vergütung aber weit dahinter zurückbleibt.
Unbezahlbar? Die Ver.di-Forderungen sollen das Einkommen der Beschäftigten
im Sozial- und Erziehungsdienst um durchschnittlich zehn Prozent erhöhen.
Diese Gruppe stellt wiederum zehn Prozent aller Beschäftigten der Kommunen.
Deren Gesamtpersonalkosten würden sich also grob gerechnet nur um ein
Prozent erhöhen. Hamburg konnte im letzten Jahr 400 Millionen zusätzlich
zur Schuldentilgung verwenden. Spielräume zur Finanzierung der
Tarifforderung sind also vorhanden.
Aber auch Bund und Länder sind hier in der Verantwortung. Wir sollten den
Anspruch von Eltern und Beschäftigten an die Qualität der Betreuung und die
Qualität der Arbeitsbedingungen nicht gegen den Anspruch auf eine
angemessene Bezahlung ausspielen. Dies sind notwendige Investitionen in die
Zukunft! HILKE STEIN
17 May 2015
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