# taz.de -- Debatte EU-Gipfeltreffen in Lettland: Riga mit fatalem Signal | |
> Ohne Beitrittsperspektive: Die Anrainerstaaten im Osten der EU werden | |
> außen vor gelassen. Die Annexion der Krim wird ausgeblendet. | |
Bild: Der EU-Präsident und sein ukrainischer Kollege ganz herzlich. | |
Die Botschaft des EU-Gipfeltreffens in dieser Woche in Riga ist so | |
eindeutig wie ernüchternd: Die Politik Brüssels gegenüber den ehemaligen | |
Sowjetrepubliken Ukraine, Moldau, Weißrussland, Georgien, Armenien und | |
Aserbaidschan ist gescheitert. | |
Eine Beitrittsperspektive gibt es nicht, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel | |
in ihrer Regierungserklärung am Donnerstag noch einmal klarstellte, mit | |
Visaerleichterungen können die Ukraine und Georgien frühestens im kommenden | |
Jahr rechnen. Die Abschlusserklärung wird die völkerrechtswidrige Annexion | |
der Krim durch Russland mit Schweigen übergehen, weil sonst Weißrussland | |
und Armenien das Dokument nicht unterschrieben hätten. | |
Ursprünglich war die sogenannte Östliche Partnerschaft, die 2009 auf | |
Betreiben Polens und Schwedens ins Leben gerufen worden war, dazu gedacht, | |
die EU-Nachbarstaaten bei ihrem Transformationsprozess hin zu Demokratie | |
und Marktwirtschaft zu unterstützen und an EU-Standards heranzuführen. | |
Sechs Jahre später ist die Bilanz gelinde gesagt mehr als bescheiden. | |
[1][Die Ukraine] bezahlte für ihre EU-Ambitionen nach dem Sturz von | |
Präsident Wiktor Janukowitsch im Zuge der Protestbewegung Euro-Maidan mit | |
dem Verlust der Krim. Und einem von Moskau gezielt geschürten Krieg im | |
Donbass, der bislang Tausende Menschen das Leben gekostet hat. In | |
Weißrussland will sich Dauerherrscher Alexander Lukaschenko, der immer noch | |
die Todesstrafe vollstrecken und politische Gegner einsperren lässt, im | |
kommenden Herbst bei pseudodemokratischen Wahlen erneut im Amt bestätigen | |
lassen. | |
Unter der Herrschaft des Autokraten Ilham Alijew wandern in Aserbaidschan | |
Regierungskritiker reihenweise ins Gefängnis. Armenien trat, nicht zuletzt | |
unter dem Druck Russlands, im Januar 2015 der von Moskau geführten | |
Eurasischen Wirtschaftsunion bei. In Georgien, wo die Bevölkerung noch am | |
entschiedensten auf EU- und Nato-Kurs ist, ist die Justizreform ins Stocken | |
geraten. Auch der Demokratie nicht eben förderlich ist der Umstand, dass | |
der Milliardär und im November 2013 abgetretene Regierungschef Bidsina | |
Ivanischwili im Hintergrund immer noch die Fäden zieht. | |
## Ein Kotau vor Russland | |
Auch beim Musterschüler Moldau, der neben der Ukraine und Georgien ein | |
Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet hat, liegt | |
noch einiges im Argen. Nach wie vor prägen eine endemische Korruption und | |
Vetternwirtschaft den Alltag. Im vergangenen Jahr verschwand aus drei | |
Banken rund eine Milliarde Euro spurlos. Ein besonderer Eifer der | |
Regierung, dem Verbleib des Geldes nachzuforschen, ist nicht zu beobachten. | |
Doch auch wenn diese Entwicklungen alles andere als ermutigend sind: Das | |
Signal, das jetzt von Riga ausgeht, ist fatal. Denn es ist einerseits ein | |
Kotau vor Russland, das das sogenannte „Nahe Ausland“ nach wie vor als | |
seine originäre Einflusssphäre betrachtet, mit allen Konsequenzen. | |
Und es ist ein Schlag ins Gesicht vor allem der Menschen in Georgien, der | |
Ukraine und Moldau, die sich nolens volens im Stich gelassen fühlen und | |
sich enttäuscht von Europa ab- und Russland zuwenden könnten. Das wiederum | |
wäre ein gefundenen Fressen für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, dem | |
keine Propaganda zu verlogen und schmutzig ist, um Zwist und Zwietracht zu | |
sähen – wenn nötig, auch mit militärischen Mitteln. | |
Was also tun? Das Projekt Östliche Partnerschaft gründlich nachjustieren | |
bzw. neu ausrichten und an die Gegebenheiten in den beteiligten Staaten | |
anpassen. Doch allen Unterschieden zum Trotz muss es überall darum gehen, | |
das Engagement für die Zivilgesellschaft zu stärken. Zum einen durch eine | |
zielgerichtete Unterstützung von Initiativen vor Ort. Zum anderem aber auch | |
durch die Möglichkeit, Europa kennenzulernen, dort zu lernen und zu | |
arbeiten. Und das ohne Schikanen und demütigende Prozeduren. | |
22 May 2015 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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