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# taz.de -- Bundeswehr sucht Anerkennung: Ein Kampf mit Symbolen
> Gelöbnis, Ehrenmal und Orden - die Bundeswehr ringt um Identität und
> Anerkennung. Eine "Öffnung" zur zivilen Gesellschaft aber geht anders.
Bild: Am 20.07.2008 wird das feierliche Gelöbnis von Bundeswehrrekruten erstma…
BERLIN taz Drei aktuelle Nachrichten von der Bundeswehr: 1.) Die Bundeswehr
wird am Sonntag ihre neuen Rekruten nicht auf dem Hof des Ministeriums,
sondern auf der Wiese vorm Reichstag vereidigen. 2.) Die Bundeswehr wird
ihren Gefallenen auf dem Ministeriums-Hof ein Ehrenmal bauen. 3.) Die
Bundeswehr wird einen neuen Tapferkeitsorden einführen.
Einen Kampf mit Symbolen führt die Bundeswehr - um Anerkennung bei der
Zivilgesellschaft. Bundespräsident Horst Köhler attestiert der
Bundesbevölkerung ein - allerdings bedauerliches - "freundliches
Desinteresse" an ihrer Wehr, doch für viele Soldaten ist das noch
Beschönigung: Dass der Afghanistaneinsatz vom Wahlvolk abgelehnt wird,
nehmen sie persönlich. "Man kann da machen was man will, hier hauen alle
immer nur drauf", sagt ein Unteroffizier, der gerade in Afghanistan war.
Die Politiker fast aller Parlamentsparteien steuern gegen: Wenn schon
keinen Jubel, so gibts demnächst doch wenigstens neue Orden. Das Datum 20.
Juli für das öffentliche Gelöbnis betont schon seit 1999, dass die
Bundeswehr sich in die Tradition der Hitler-Attentäter stellt. Das Gelöbnis
nun vorm Reichstag soll die Nähe zu Parlament und Volk unterstreichen - hat
freilich auch den Hintergrund, dass auf dem Hof des Bendlerblocks schon
eine Baustelle präpariert wird - für das Ehrenmal.
"Die Bundeswehr sucht nach einer neuen Identität", erklärt der Freiburger
Militärhistoriker Wolfram Wette, "und sie sucht sie in Traditionen und
Zeremoniell." Gelöbnisse auf dem Reichstagsrasen, Denkmäler und Orden seien
jedoch ein ganz falsches Mittel, das Verhältnis zur Gesellschaft neu zu
definieren. Die proklamierte Öffnung zur zivilen Gesellschaft hin sei dabei
nur ein Versuch, die "neue Normalität" der Auslandseinsätze seit den 1990er
Jahren zu legitimieren, ohne die neue Militarisierung beim Namen zu nennen.
"Man klaut beim Pazifismus das Vokabular", sagt Wette - Stichworte
"Friedenseinsätze" und "Friedenssicherung". Doch werde so nur verschleiert,
dass es einen Widerspruch gebe zwischen der Friedwilligkeit, zu der die
Deutschen seit 1945 erzogen wurden, und dem Willen der Bundesregierungen
seit 1990, die alte Politik der Zurückhaltung aufzugeben. Statt einer
offenen Diskussion über die "Gefahren, die im Übergang von eher
polizeilichen Aufgaben zu veritablen Kriegseinsätzen drohen", böten
Bundeswehr und Regierung nun "bloß rückwärtsgewandte Symbolik".
So harsch sieht es der Verteidigungsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei,
nicht. Es gebe "echte Tendenzen zur Öffnung" der Bundeswehr zur
Zivilgesellschaft, sagt Nachtwei. Die Offiziere zeigten ein größeres
Interesse an ziviler Krisenprävention, an Zusammenarbeit mit
Welthungerhilfe und Co, als mancher Beamter aus dem Auswärtigen Amt.
Und doch stellt auch Nachtwei "Anhaltspunkte" dafür fest, dass die
Bundeswehr zwar einen Tapferkeitsorden will, Zivilcourage intern jedoch
nicht billigt. Die "Bürger in Uniform", die am Sonntag vorm Parlament
stehen, würden für Bürgertugenden eher bestraft. So habe es mehrere Fälle
gegeben, in denen Afghanistan-Rückkehrer nicht auf Diskussionspodien
auftreten durften: "Maulkorb", sagt Nachtwei.
Er verweist auch auf den Fall vor einem Jahr, als der Chefredakteur des
Bundeswehrmagazins "aktuell" in einem Editorial den Papst kritisiert hatte
und prompt seinen Posten verlor. Nicht zuletzt weise der jährliche Bericht
des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe ein steigende Zahl anonymer Eingaben
auf. Der Wehrbeauftragte selbst moniert im Bericht, dass Vorgesetzte
verlangten, Soldaten sollten ihre Eingaben zunächst mit ihnen besprechen.
17 Jul 2008
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Bundeswehr
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