# taz.de -- Demo-Anmelder unzufrieden: "Führungslose Polizei" | |
> Die Krawalle seien auch Schuld der Polizei, sagt Kirill Jermak, der | |
> Anmelder der 18-Uhr-Demo. Die Beamten wären rigider vorgegangen als | |
> früher. | |
Bild: Rumstehen und nichts tun - das hätten sich die Demonstranten von der Pol… | |
taz: Herr Jermak, Ihre 18-Uhr-Demonstration am 1. Mai lief ordentlich aus | |
dem Ruder: Warum gab es erstmalig wieder Ausschreitungen aus dem Protestzug | |
heraus? | |
Kirill Jermak: Das muss man differenziert sehen. Zum einen haben im Vorfeld | |
Scharfmacher in Teilen der Presse und des Polizeiapparats | |
bürgerkriegsähnliche Szenarien heraufbeschworen mit einem Interesse, dass | |
ihre Prophezeiungen auch eintreten. Davon haben sich eventuell einige | |
angesprochen gefühlt. Auf der anderen Seite war das Polizeikonzept am 1. | |
Mai katastrophal: Schon am Vormittag beim Protest gegen die NPD in Köpenick | |
sind einige Polizisten überhart vorgegangen, was einigen Demonstranten | |
sicher übel aufgestoßen ist. Für unsere Demo am Abend wurden dann statt | |
erfahrener Berliner Polizisten größtenteils Bundespolizisten eingesetzt, | |
deren Hundertschaften führungslos erschienen. Und es gab keinerlei | |
Kommunikation zwischen der Polizei und mir als Veranstalter, was ich so | |
noch nicht erlebt habe. | |
Das rechtfertigt aber noch nicht das Schmeißen von Steinen, Flaschen und | |
Böllern aus dem Demozug. | |
Schon zu Beginn wurde von der Polizei gegen Seitentransparente vorgegangen, | |
die in den Vorjahren noch geduldet worden waren. In dieser Situation haben | |
sich einige zur Wehr gesetzt. Sicherlich existierte bei vielen auch einfach | |
eine allgemeine Wut, die sie ausdrücken wollten. Ich lief aber ganz an der | |
Demo-Spitze und musste mit ansehen, wie Bundespolizisten mit | |
Teleskopschlagstöcken so auf Demonstranten losgingen, dass einige mit | |
blutenden Kopfwunden ins Krankenhaus mussten. Insgesamt hatte unsere | |
Demonstration mehr als 136 verletzte Teilnehmer. | |
Auch die Polizei beklagt 273 verletzte Beamte. | |
Ich will das nicht kleinreden, aber erinnern wir uns nur an den G-8-Gipfel | |
2007. Da wurden von der Polizei zum Teil eigene Verletztenzahlen jenseits | |
von Gut und Böse veröffentlicht. Sicher gibt es in deren Reihen auch ein | |
Interesse, möglichst hohe Zahlen zu präsentieren, um zu zeigen, wie | |
gewalttätig die Linken wieder waren. | |
Sie haben Ihre Demonstration frühzeitig beendet, warum? | |
Wir wollten die Sicherheit unserer Veranstaltungsteilnehmer nicht weiter | |
gefährden und weitere Auseinandersetzungen verhindern. Auch hier versagte | |
aber die Polizei: Um unsere Route zu verkürzen, mussten wir 20 Minuten nach | |
einem zuständigen Ansprechpartner bei der Polizei suchen. Den fanden wir | |
schließlich erst telefonisch im Polizeipräsidium statt vor Ort. | |
Welches Fazit ziehen Sie? | |
Ein kritisches. Es ist uns nur im Vorfeld gelungen, unsere Inhalte zu | |
vermitteln. Auf der Demo konnten wir daran nicht mehr anschließen. Und den | |
Verlauf muss man als durchwachsen bezeichnen. Ob ich die Demonstration im | |
nächsten Jahr wieder anmelde, muss ich mir noch überlegen. Bei einem | |
Polizeikonzept wie in diesem Jahr würde ich die Anmeldung eigentlich | |
niemandem empfehlen. | |
Interview: KONRAD LITSCHKO | |
4 May 2009 | |
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