# taz.de -- Neue Strenge nach dem 1. Mai: Polizei zieht ihre Hand zurück | |
> Innensenator prüft nach den Mai-Krawallen Auflagen für linke Demos. | |
> Verbote denkbar. Polizei und Demo-Organisatoren beschuldigen sich | |
> gegenseitig | |
Bild: Kein Wunder, dass das Vertrauen flöten gegangen ist: Viele Polizisten un… | |
Die Zeiten, in denen die Polizei bei linksradikalen Demonstrationen | |
vertrauensvoll auf das Deeskalationskonzept der ausgestreckten Hand setzte, | |
sind vorbei. Nach dem Gewaltausbruch vom 1. Mai habe sich die Lage | |
grundsätzlich geändert, sagte die Sprecherin von Innensenator Ehrhart | |
Körting (SPD), Nicola Rothermel, am Montag. Generell müsse jetzt bei jeder | |
Demonstration aus dem linken Spektrum nachgedacht werden, ob Auflagen | |
notwendig sind oder ein Verbot erwogen werden müsse. "Das muss für jede | |
Demonstration neu bewertet werden. Wir haben eine neue Situation." | |
Nicht nur die Molotow-Cocktails-Angriffe auf Polizisten unterscheiden den | |
diesjährigen 1. Mai von seinen Vorgängern. Gleich zu Beginn der | |
revolutionären 1.-Mai-Demonstration kurz nach 18 Uhr waren Polizeieinheiten | |
an einer Tankstelle mit Steinen und Flaschen eingedeckt worden. In den | |
letzten Jahren hatten Ausschreitungen stets erst deutlich nach Abschluss | |
der Demos begonnen. | |
Körting sprach von einem Rückschlag und einer neuen Qualität der Gewalt. | |
Dennoch versicherte seine Sprecherin, dass am Deeskalationskonzept der | |
rot-roten Landesregierung festgehalten werden solle. Auch Polizeipräsident | |
Dieter Glietsch bezeichnete die die Kombination aus strategischer | |
Zurückhaltung und schnellem Zugriff bei Gewalttaten "als alternativlos". | |
Doch das Grundvertrauen, das die Polizei zuletzt vor Protestmärschen der | |
Linksradikalen hatte, ist mehr als angeknackst. Schon bei den Freiraumtagen | |
im März waren ein Verbindungsmann der Polizei und eine Verkehrsstreife | |
angegriffen worden. Solche Vorfälle würden in Zukunft verstärkt Eingang in | |
die Gefahrenprognose finden, heißt es aus Sicherheitskreisen. Selbst | |
Demonstrationsverbote seien denkbar. Auch für das Taktik der Polizei dürfte | |
das Aufmuskeln der linken Szene Folgen haben. Eine Rückkehr zu verstärkten | |
Vorkontrollen und Polizeispalieren ist denkbar. Kurzum: Die Zeiten, in | |
denen die Polizei selbst bei vereinzelten Steinwürfen aus dem Zug heraus | |
auf eine Beruhigung der Lage durch die Veranstalter vertraute, dürften | |
vorbei sein. | |
Unterdessen erheben die Demo-Organisatoren schwere Vorwürfe gegen die | |
Polizei. Der Anwalt Sven Richwin, der im Auftrag von Kirill Jermak (Linke) | |
die 18-Uhr-Demo angemeldet hatte, sagte, der Verbindungsbeamte der Polizei | |
habe sich nach dem Demo-Start in Luft aufgelöst. Als die Demoleitung die | |
Route aufgrund der sich zuspitzenden Stimmung abkürzen wollte, sei es ihm | |
nur unter extrem erschwerten Bedingungen möglich gewesen, Kontakt zur | |
Einsatzleitung zu bekommen. Bis der Einsatzleiter vor Ort die Frage mit dem | |
Polizeipräsidium abgeklärt habe, sei weitere Zeit verstrichen, so Richwin. | |
Die Unruhe im Zug sei so gewachsen. Statt erfahrene Berliner Beamte | |
hinzuziehen, sei die Bundespolizei für die Demo zuständig gewesen. Deren | |
Einsatzleiter habe im Stadtplan schauen müssen, wo eigentlich die Skalitzer | |
Straße sei. "Ich will die Gewalttaten auf der Demonstration nicht | |
kleinreden", so Richwin. "Aber die Polizei hat es uns teilweise sehr schwer | |
gemacht, die eskalierende Stimmung aufzuhalten." | |
Polizeipräsident Glietsch weist die Vorwürfe zurück. Die Bundespolizei sei | |
genauso kompetent wie die Berliner Polizei. Dem Veranstalter sei ein | |
Ansprechpartner zur Seite gestellt gewesen. Nach den Angriffen auf | |
Antikonfliktteams der Polizei sei der Beamte abgezogen worden, um ihn nicht | |
auch noch zu gefährden. "Wer dafür sorgt, dass die Polizei mit Steinen und | |
Flaschen beworfen wird, darf sich nicht wundern, wenn ihm später der | |
Ansprechpartner fehlt." | |
5 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Soziale Unruhen?: Wieder nix los in Kreuzberg | |
289 Festnahmen, über 270 verletzte Polizisten - in Berlin-Kreuzberg waren | |
die Mai-Krawalle heftig wie seit Jahren nicht mehr. Aber mit einer | |
Sozialrevolte hat das nichts zu tun, so Politiker. | |
Disput nach dem 1. Mai: Linkspartei streitet gewaltig | |
Die Berliner Regierungspartei diskutiert über die Anmeldung der autonomen | |
1.-Mai-Demonstration in Kreuzberg durch einen ihrer Nachwuchspolitiker. | |
Nach dem 1. Mai in Berlin: Haftbefehl wegen Mordversuchs | |
Staatsanwaltschaft wirft vier Männern Mordversuch an Polizisten vor. Sie | |
sollen Brandsätze geworfen haben. Die Übergriffe überschatten den | |
Gesamteindruck des Abends. | |
Demo-Anmelder unzufrieden: "Führungslose Polizei" | |
Die Krawalle seien auch Schuld der Polizei, sagt Kirill Jermak, der | |
Anmelder der 18-Uhr-Demo. Die Beamten wären rigider vorgegangen als früher. |