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# taz.de -- Affäre um Bettencourt: Elyseé-Palast setzt Zeugin unter Druck
> Die frühere Privatbuchhalterin von Bettencourt beschuldigte Frankreichs
> Staatschef Sarkozy, illegal Parteispenden erhalten zu haben. Unter Druck
> relativiert sie jetzt ihre Vorwürfe.
Bild: Ihm geht es an den Kragen: Nicolas Sarkozy soll illegale Parteispenden er…
PARIS taz | Die französische Staatsführung versucht derzeit alle zu
diskreditieren, die Präsident Nicolas Sarkozy und seinen Arbeitsminister
Eric Woerth in einen Finanzskandal verstrickt glauben. Eine "Kronzeugin" in
der Bettencourt-Affäre hatte unter Druck teilweise ihre Aussagen
zurückgenommen. Im Elysée-Präsidentenpalast freute man sich etwas zu früh
darüber und veröffentlichte eine Siegesmeldung. Staatschef Nicolas Sarkozy
und Minister Eric Woerth seien "total reingewaschen" vom Verdacht der
illegalen Finanzierung der Präsidentschaftskampagne von 2007 durch
mutmaßliche Bargeldspenden der Milliardärin Liliane Bettencourt, hieß es.
Die Hauptbelastungszeugin ist Bettencourts frühere Privatbuchhalterin
Claire T. Unter dem Druck wiederholter Polizeiverhöre nahm sie einige
Punkte früherer Aussagen zurück oder korrigierte sie. An den wichtigsten
Anschuldigungen hält sie fest.
Noch 2007 hätten die Bettencourts bestimmte Politiker großzügig finanziell
unterstützt. Wie dies vor sich ging, schilderte sie der Polizei und in
einem langem Interview auch dem Online-Magazin Mediapart. Nach dem Mittag-
oder Abendessen bekamen die geladenen Politiker einen braunen Umschlag mit
Barem zugesteckt. Sie nannte Namen, wollte dies aber nicht als Denunziation
verstanden wissen. Zu den gern gesehenen Gästen gehörte auch Nicolas
Sarkozy.
Jetzt möchte sich Claire T. nicht mehr auf die präzise Behauptung festlegen
lassen, der heutige Präsident habe damals "regelmäßig" seinen Umschlag
bekommen, wie dies auf Mediapart zu lesen war. Denn das könne sie nicht
beweisen.
Sie hält aber daran fest, dass Bettencourts Vermögensverwalter Patrice de
Maistre ihr ausdrücklich gesagt habe, er werde dem Finanzchef von Sarkozys
Kampagne, Eric Woerth, 150.000 Euro aushändigen. Zu diesem Zweck musste sie
50.000 Euro bei einer Pariser Bank abheben. Die restlichen 100.000 Euro
habe de Maistre von einem Konto in der Schweiz geholt.
Von einem "Zurückrudern" der Zeugin kann also keine Rede sein. Der Anwalt
der Buchhalterin, die nach zwölf Jahren treuer und verschwiegener
Dienstjahre entlassen worden war, protestiert. Seine Mandantin sei
eingeschüchtert und "schockierendem Druck" ausgesetzt worden. Trotz dieses
Drucks halte sie im Wesentlichen an ihren belastenden Äußerungen fest.
Rückendeckung bekam sie gestern vom Magazin Marianne. Dieses behauptet,
gestützt auf Kopien der von Claire T. geführten Kassenbücher von
Bettencourts Privatausgaben, Folgendes: In den ersten vier Monaten 2007
seien für einen nicht näher erklärten Zweck mehr als 380.000 Euro von der
Bank abgehoben worden.
Auf der Suche nach weiteren Belegen wurden gestern auch de Maistres Wohnung
sowie die Büros der von ihm geleiteten Bettencourt-Vermögensverwaltung
Clymène durchsucht. Dort war bis vor Kurzem die Gattin von Woerth offiziell
mit der Investition der LOréal-Dividenden beschäftigt. Zu diesem Zweck
reiste sie angeblich auch häufig in die Schweiz, wo Liliane Bettencourt
mindestens zwei dem Finanzamt verborgene Konten besaß.
Noch immer sieht der heutige Arbeitsminister Woerth da keinen
Interessenkonflikt. Und er hält es für unproblematisch, dass er zugleich
als Haushaltsminister für die Steuerverwaltung zuständig war und sich als
Schatzmeister der UMP um die Parteifinanzierung kümmerte.
Mit dem Mut der Verzweiflung schart sich die Regierungsmehrheit um den
Präsidenten und setzt an zur Gegenoffensive. Jetzt geht es nicht mehr nur
darum, den Soldaten Woerth zu retten, sondern den General im Elysée. Die
Staatsführung sucht ihr Heil in heftigen Angriffen auf alle Kritiker - vor
allem auf die Opposition, die hartnäckig Auskunft verlangt, und auf die
Medien, die sich nicht einschüchtern lassen und weiter recherchieren.
Besonders scharf attackiert wird der Online-Dienst Mediapart des früheren
Le-Monde-Chefs Edwy Plenel, der vom UMP-Generalsekretär Xavier Bertrand
"faschistischer Methoden" bezichtigt wurde. Derart unverhältnismäßige
Tiefschläge bewiesen nach Meinung der Tageszeitung Libération bloß, in
welcher Verlegenheit diese Sprecher der Regierungsmehrheit stecken.
10 Jul 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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