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# taz.de -- Korruptionsaffaire in Frankreich: Sarkozys Bauernopfer
> Das System Sarkozy steckt tief im Sumpf. Der Staatschef feuerte erst mal
> zwei Staatssekretäre, die es allzu toll getrieben hatten. Doch der Fisch
> stinkt bekanntlich vom Kopf her.
Bild: Sie lebten gut auf Staatskosten, jetzt ließ Sarkozy sie über die Klinge…
PARIS taz | Zu lange schon herrschte in Paris im Präsidentenpalast dicke
Luft. Überhöhte Spesen und Nebenverdienste von Ministern und dann auch noch
der Verdacht auf Begünstigung im Zusammenhang mit der Affäre um die allzu
großzügigen Milliardärin und Sponsorin Liliane Bettencourt haben seit
Wochen das politische Klima vergiftet.
Die linke Opposition forderte deswegen wenn nicht den Rücktritt der
gesamten Regierung, so doch den Kopf des speziell exponierten früheren
Haushalts- und derzeitigen Arbeitsministers Eric Woerth. Der jedoch bleibt
nach Präsident Nicolas Sarkozys Willen im Amt. Er soll auf Biegen und
Brechen die Rentenreform durchziehen. Zwei andere Regierungsmitglieder aber
genossen nicht so viel Protektion von oben. Die beiden Staatssekretäre
Christian Blanc und Alain Joyandet reichten am Sonntagabend ihren Rücktritt
ein. Ihnen war, wie man wenig später vom Regierungssprecher erfuhr, ihr
plötzlicher Abgang vom Staatspräsidenten nahegelegt worden. Im
französischen Politjargon, so erklären die Zeitungen, bedeutet dies, dass
da "zwei Sicherungen durchgebrannt sind".
Der Präsident hat zwei besonders kritisierte Regierungsmitglieder geopfert,
um die Spannung zu vermindern und den restlichen Kreislauf vor dem
Kurzschluss zu retten. Eigentlich hatte Sarkozy eine Regierungsumbildung
für den Herbst angekündigt. Doch angesichts der politischen und moralischen
Krise, die die Glaubwürdigkeit der ganzen Staatsführung zu erschüttern
droht, konnte er nicht mehr warten. Zugleich hat er angeordnet, dass die
Minister jetzt drastisch sparen müssten. Zähneknirschend verzichtet Sarkozy
selber auf seine Garden Party zum Nationalfeiertag am 14. Juli.
Blanc, zuständig für die Raumplanung der Hauptstadtregion, ist ein großer
Zigarrenraucher. Das wäre seine Privatsache, wenn er nicht in wenigen
Wochen Havannas im Gesamtbetrag von 12.000 Euros auf Kosten der Staatskasse
gepafft hätte. Vor den Abgeordneten hatte Premierminister François Fillon
ihm bereits gesagt, er müsse diese Summe aus der eigenen Tasche begleichen.
Doch der schlechte Eindruck verflüchtigte sich nicht so schnell wie
Rauchwolken. Joyandet (Entwicklungshilfe und Frankophonie) war negativ
aufgefallen, weil er sich im März für ein Kolloquium über Haiti mit einem
exklusiven Spezialflugzeug nach Martinique und zurück nach Paris fliegen
ließ. Kostenpunkt für die Steuerzahler: 116.000 Euro. Außerdem enthüllte
die Satire-Zeitung Canard Enchaîné, wie er sich in Südfrankreich mit
falschen Angaben eine Baubewilligung für seine Villa ermogeln wolle. Beide
erklären zu ihren Rücktrittsmotiven, wie ungerecht all die Vorwürfe seien,
die sie sich in den letzten Tagen gefallen lassen mussten. Blanc sprach gar
von einer "Lynchjustiz".
Unfair erschien ihnen, dass andere nicht ebenfalls den Hut nehmen mussten.
Gewisse Regierungsmitglieder bezogen neben ihrem Ministerlohn eine
Altersrente als Ex-Parlamentarier oder leisteten sich eine zweite
Dienstwohnung. Boss Sarkozy hatte sogar gleich zu Beginn sein eigenes
Gehalt um generöse 170 Prozent erhöht. Jetzt will er noch einen eigenen
Airbus 330 mit allem Komfort anschaffen. Die Opposition beschuldigt den
Staatschef, mit dem Rausschmiss von zwei kleinen Schuldigen wolle er bloß
das wahre Ausmaß der Krise "vernebeln".
Laut Umfragen halten 64 Prozent der Leute die Politiker in Frankreich für
korrupt. Dabei schneidet die Prominenz der linken Opposition kaum besser ab
als die Regierungspolitiker. Darüber freut sich die populistische Rechte,
die seit langem mit dem Slogan "Tous pourris" (Alle verdorben) gegen die
traditionellen Parteien hetzt.
5 Jul 2010
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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