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# taz.de -- Preis für Fußballclub Roter Stern Leipzig: Die Zecken, die zurüc…
> Ein ausgezeichneter Sportverein: Der Club Roter Stern Leipzig wurde am
> Dienstag vom Deutschen Fußballbund geehrt - für sein Engagement gegen
> Rechtsradikale.
Bild: Fährt zu Auswärtsspielen ins Umland: der alternative Leipziger Fußball…
Lutz Battke und Sophia Bormann haben nicht viel miteinander zu tun. Um
genau zu sein: Der Jugendtrainer aus Laucha, der für die NPD im Kreistag
sitzt, und die Vorsitzende des alternativen Breitensportvereins Roter Stern
Leipzig sind sich noch nie begegnet. Es würde wohl auch nicht lange gut
gehen, wenn sich die beiden kennen lernen würden.
Als Trainer der Nachwuchs-Elf des BSC 99 Laucha soll Battke vor Zeugen
gesagt haben, dass "Schwarze" für ihn "keine Menschen" seien. Das berichtet
Sachsen-Anhalts Innenstaatssekretär Rüdiger Erben (SPD). Im Ministerium ist
man alarmiert, seit vor Ort ein israelischer Jugendlicher als
"Judenschwein" beschimpft und verprügelt wurde - von einem 20-Jährigen, der
lange Jahre von Battke trainiert worden war. Klaus Wege, Präsident des BSC
99, sah allerdings weiterhin keinen Grund, sich von einer "Stütze des
Vereins" zu trennen. Irgendwann musste er es dann doch tun - der
öffentliche Druck war zu stark geworden.
Das hat wiederum sehr viel mit Sophia Bormann und den anderen 399
Mitgliedern von Roter Stern Leipzig (RSL) zu tun. Wenn heute über den
Alltagsrassismus und die "NPD-Mentalität" (RSL-Geschäftsführer Adam
Bednarsky) in der Fußballprovinz gesprochen wird, liegt das nicht zuletzt
daran, dass die Mitglieder des RSL den immer wieder am eigenen Leibe
erfahren und ihre Erlebnisse publik gemacht haben. Ihr Klub ist im Sommer
2009 in die Bezirksklasse, Staffel 2, aufgestiegen. Das bedeutet Fahrten
ins Leipziger Umland. Zu den meisten Auswärtsspielen des RSL kommen 10 bis
15 Neonazis - um den "Zecken" zu zeigen, wer vor Ort das Sagen hat.
Im Oktober 2009 waren es noch mehr. Im nordsächsischen Örtchen Brandis
wurden Fans, Spieler und Offizielle des RSL von etwa 50 Neonazis
überfallen. Seither wissen auch viele Fußballfans, die sich sonst nur für
das Geschehen in den Erstligaarenen interessieren, dass es Gegenden gibt,
in denen der rechte Lifestyle der einzig verbliebene ist. Es sind häufig
die Gegenden, in denen Vereinsvorsitzende so tun, als sei ein
rechtsradikales Weltbild reine Privatsache wie die Wahl der Automarke oder
des Aftershaves. Weil aber nicht Autonarren, sondern Rassisten KZs bauen,
hat der DFB den "Roten Stern" gestern in Köln mit dem zweiten Platz des
"Julius-Hirsch-Preises" ausgezeichnet. "Das war schon eine freudige
Überraschung", berichtet Bormann, die nun hofft, "dass sich durch die
Auszeichnung auch Vereine unseren Argumenten öffnen, die uns bislang
abgelehnt haben".
Seit 2005 verleiht der Verband den Preis zum Gedenken an den jüdischen
Nationalspieler vom Karlsruher FV, der 1943 nach Auschwitz deportiert und
dort ermordet wurde. Der SV 06 Lehrte, ein Club aus dem Hannoveraner
Umland, wurde für sein vorbildliches multikulturelles Engagement mit dem
ersten Platz ausgezeichnet.
Offiziell, so heißt es auf der DFB-Homepage, hat sich der RSL den zweiten
Platz verdient, "weil er respektvoll und verantwortlich versucht, Zeichen
gegen jegliche Art von Diskriminierung zu setzen". Der eigentliche Grund
dürfte ein anderer sein: Der Rote Stern ist am Wochenende dort, wo keine
Überwachungskameras stehen. Und er sieht keinen Grund zu verschweigen, was
ihm dort widerfährt. Damit hat er einer Öffentlichkeit die Augen geöffnet,
die sich zunehmend daran gewöhnt, nur das als Realität wahrzunehmen, was
auf dem Bildschirm stattfindet. Jahrzehntelang war das auch die einzige
Perspektive, die den DFB interessiert hat. Die Zeiten haben sich
glücklicherweise geändert.
Zumindest in Frankfurt am Main. In Laucha wird es wohl noch eine Weile
dauern, bis Selbstverständliches selbstverständlich wird. Am Wochenende
durfte der suspendierte Trainer Battke als Schiedsrichter ein F-Jugendspiel
leiten. Im Innenministerium und beim Landessportbund wertet man das als
Provokation und will den Druck auf den Verein erhöhen. Bormann begrüßt das:
"Es passiert in den unteren Ligen leider noch zu oft, dass bekennende
Neonazis geachtete Vereinsmitglieder sind."
7 Sep 2010
## AUTOREN
Christoph Ruf
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Fußballvereine
Staatsanwalt
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